Neue Compliance-Richtlinien verabschiedet
Themenbereich: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Gesellschaft
Land: Deutschland
Kategorie: Projekt
Website: benet.bertelsmann.de/ethics/fs/de/
Der Bertelsmann-Vorstand hat in seiner Sitzung vom 19. Dezember 2014 eine überarbeitete "BeTrade"-Richtlinie sowie eine neue Richtlinie zum Umgang mit Hinweisen auf Compliance-Verstöße verabschiedet. Christina Möller und Carsten Tams aus der Bertelsmann Ethics & Compliance-Abteilung erläutern die Hintergründe.
BENET: Worum geht es in der Richtlinie zum Umgang mit Hinweisen auf Compliance-Verstöße? Welche Ziele werden damit verfolgt?
Carsten Tams: Zum einen beschreibt die Richtlinie, welche Verfahren und Zuständigkeiten bei der Behandlung von Hinweisen auf Compliance-Verstöße Anwendung finden und welche Grundsätze für die Ergreifung von Maßnahmen bei festgestellten Compliance-Verstößen gelten. Nach diesen Maßstäben gehen wir seit langem bei der Behandlung von Compliance-Hinweisen vor. Mit der Richtlinie werden sie transparent gemacht. Hierdurch wird auch das Ziel gefördert, einen konzernweit einheitlichen Bemessungsmaßstab sowie Fairness und Angemessenheit bei der Ergreifung von Maßnahmen sicherzustellen. Zweitens werden durch die Richtlinie bestehende Meldepflichten erweitert. Beschränkten sich entsprechende Meldepflichten bisher auf bestimmte Themen – wie etwa sogenannte dolose Handlungen oder Verstöße gegen kartellrechtliche Vorschriften –, sollen sie in Zukunft alle wesentlichen Verstöße gegen Gesetze, unternehmensinterne Richtlinien oder vertragliche Verpflichtungen einschließen, unabhängig vom Rechtsgebiet. Damit werden nun auch Themen wie Datenschutz oder Diskriminierung erfasst.
BENET: Gilt die Meldepflicht für alle Compliance-Verstöße?
Carsten Tams: Nein, es geht um wesentliche Verstöße. Ein Compliance-Verstoß ist wesentlich, wenn dieser dazu geeignet ist, einer Bertelsmann-Konzerngesellschaft materiellen Schaden zuzufügen. Die überarbeitete Richtlinie gibt Wesentlichkeitskriterien an die Hand. Verstöße in bestimmten Rechtsgebieten gelten grundsätzlich als wesentlich. Dies ist unter anderem bei Themen wie Korruption, Kartellrecht oder Außenwirtschaftsrecht der Fall. Verstöße sind auch dann wesentlich, wenn sie erheblich die Reputation einer Bertelsmann-Konzerngesellschaft beeinträchtigt. Davon ist zum Beispiel auszugehen, wenn über einen Compliance-Verstoß in den Medien berichtet wird. Es geht uns ganz entschieden nicht darum, dass jeder Bagatellfall gemeldet wird. Es geht vielmehr darum zu verhindern, dass es zu bedrohlichen Compliance-Vorfällen kommt, von denen wir auf Konzernebene nicht oder erst zu spät erfahren. Die Meldung solcher Vorfälle ermöglicht dem Unternehmen einen umfassenderen, konzernübergreifenden Überblick über für den Konzern relevante Risiken. Das Unternehmen ist damit besser in der Lage, wo immer nötig geeignete Präventivmaßnahmen zu ergreifen.
BENET: Gibt es eine Wertgrenze, die definiert, ab wann ein Verstoß wesentlich ist?
Carsten Tams: Nach reiflicher Überlegung haben wir uns gegen quantitative Wertgrenzen entschieden. In der Praxis sind sie nicht hilfreich. Die Frage, wie groß der Schaden sein könnte, der aus einem bestimmten Compliance-Verstoß resultieren könnte, kann nur sehr spekulativ beantwortet werden. Daher haben wir es bei qualitativen Kriterien belassen.
BENET: Für wen gilt die Meldepflicht? Und wohin ist zu melden?
Christina Möller: Diese Meldepflicht gilt für alle Führungskräfte sowie Mitarbeiter, die aufgrund ihrer Funktion eine besondere Verantwortung für die Gewährleistung von Compliance tragen. Hierzu zählen natürlich Mitarbeiter in einer Compliance-, Rechts- oder Revisionsabteilung, aber zum Beispiel auch die verantwortlichen Kollegen im Finanz- oder Personalbereich. Natürlich stehen grundsätzlich wir in der Bertelsmann Ethics & Compliance-Abteilung als Ansprechpartner zur Verfügung. Mitarbeiter können sich aber auch an eine andere, für den bestimmten Sachverhalt geeignete Fachabteilung im Bertelsmann Corporate Center wenden. Geht es beispielsweise um einen Fall der Untreue, dann ist die Revisionsabteilung neben der Ethics & Compliance-Abteilung ein geeigneter Ansprechpartner.
BENET: Was sollen Mitarbeiter tun, wenn sie unsicher sind, ob ein Vorfall unter die Meldepflicht fällt?
Christina Möller: In der Regel sollten Mitarbeiter in einem solchen Fall das Gespräch mit ihrem Vorgesetzten oder einer geeigneten Fachabteilung vor Ort suchen. Wichtig ist hierbei natürlich, dass der gewählte Gesprächspartner nicht selbst in den Vorfall verwickelt ist. Bei bestimmten Themen kann es besser sein, diese außerhalb des lokalen Arbeitsumfelds anzusprechen. Mitarbeiter können sich immer auch direkt an uns in der Ethics & Compliance-Abteilung wenden. Auch die von Bertelsmann berufenen externen Ombudspersonen stehen Mitarbeitern als Ansprechpartner in solchen Fällen zur Verfügung. Ombudspersonen behandeln die Kommunikation mit dem Hinweisgeber vertraulich und geben Sachverhalte sowie die Identität des Hinweisgebers nur nach ausdrücklicher Zustimmung des Hinweisgebers an das Unternehmen weiter.
BENET: Worum geht es in der Richtlinie "BeTrade"? Warum wurde sie überarbeitet?
Christina Möller: Ziel der "BeTrade"-Richtlinie ist es, das Unternehmen sowie seine Mitarbeiter vor Haftungsrisiken für Verstöße gegen das Außenwirtschaftsrecht, also gegen Sanktionslisten und Embargos, zu schützen. Die derzeitige weltpolitische Situation, man denke etwa an die internationale Terrorismus-Bekämpfung oder die Russland-Embargos, lässt außenwirtschaftsrechtliche Compliance für global tätige Unternehmen zunehmend komplexer werden. Verstöße können zu erheblichen Geld- und sogar Haftstrafen führen und werden zunehmend von Behörden im In- und Ausland verfolgt. Durch diese Entwicklung sind die Haftungsrisiken für Führungskräfte und Mitarbeiter in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Wir haben die Richtlinie darum an die gestiegenen rechtlichen Anforderungen angepasst. Hierbei stand im Vordergrund, durch einen risikoorientierten und flexiblen Ansatz dafür zu sorgen, dass die "BeTrade"-Richtlinie konzernweit umgesetzt werden kann.
BENET: Was bedeutet der risikoorientierte Ansatz?
Christina Möller: Risikoorientiert bedeutet, dass jede Konzerngesellschaft ihr individuelles außenwirtschaftsrechtliches Risiko ermitteln und hierauf abgestimmte Maßnahmen zur Risikominimierung ergreifen soll. Im Ergebnis wird eine Konzerngesellschaft, die aufgrund ihrer individuellen Geschäfte, ihrer Geschäftspartner und/oder ihrer geografischen Lage ein höheres Risiko hat, differenzierte Vorsorgemaßnahmen treffen müssen. Eine Konzerngesellschaft, die kaum am Außenwirtschaftsverkehr teilnimmt, kann hingegen zu dem Ergebnis kommen, dass sie bereits mit geringfügigeren Maßnahmen angemessen aufgestellt ist.
BENET: Welche Präventionsmaßnahmen sind für alle verbindlich? Welche sind risikoabhängig?
Christina Möller: Die Richtlinie sieht vor, dass alle Konzerngesellschaften einen "BeTrade Officer" aus dem Kreis der Geschäftsführung ernennen und die Benennung der Ethics & Compliance-Abteilung mitteilen. Ebenso ist die Durchführung und Dokumentation einer außenwirtschaftsrechtlichen Risikoanalyse für alle Konzerngesellschaften verbindlich. Denn von der Risikoanalyse hängt ab, welche risikoabhängigen Folgemaßnahmen zu ergreifen sind. Besteht ein relevantes Risiko, ist der "BeTrade Officer" gehalten, für die operative Unterstützung einen "BeTrade Manager" und dessen Vertreter zu ernennen. Die Konzerngesellschaft muss dann auf Basis des ermittelten Risikos ein geeignetes Prozessmanagement etablieren, um die Risiken von Verstößen gegen Sanktionslisten und Embargos zu minimieren. Hierbei können die Konzerngesellschaften flexibel vorgehen. Zum Beispiel sind sie, wenn Sanktionslistenprüfungen erforderlich sind, grundsätzlich gehalten, auf das vom Konzern angebotene IT-Tool zuzugreifen. Ist dies für eine Konzerngesellschaft im Einzelfall nicht möglich oder nicht sinnvoll, bestehen aber auch Alternativen. Dieser flexible Ansatz soll es allen Konzerngesellschaften ermöglichen, sich rechtssicher aufzustellen, ohne die operativen Geschäfte unverhältnismäßig zu belasten.
BENET: Wie soll die "BeTrade"-Richtlinie umgesetzt werden?
Christina Möller: Die Ethics & Compliance-Abteilung wird die Konzerngesellschaften bei der Umsetzung der "BeTrade"-Anforderungen beratend unterstützen. Sobald uns die Ernennungen der "BeTrade"-Verantwortlichen vorliegen, werden wir diesen Kreis zu Webinaren einladen, um die lokale Umsetzung der Richtlinie zu erläutern. Daneben werden wir auf unserer Webseite vielfältige Informationen und Hilfsmittel zum Thema "BeTrade Compliance" zur Verfügung stellen.
Ansprechpartner
Markus Harbaum
Leiter Communications Content Team
Tel.: +49 (0) 5241 80 2466