Gütersloh, 26.09.2016

"Menschen nach Leistungen beurteilen"

Paralympics Rio 2016: Marc Puškarić, Andreas von Thien und Perdita Müller (v. l.)

Themenbereich: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Land: Deutschland
Kategorie: Projekt

Zusammen mit vier weiteren Bertelsmann-Mitarbeitern war Perdita Müller, Konzern-Schwerbehindertenvertreterin von Bertelsmann, bei den Paralympischen Spielen in Rio de Janeiro, um von dort für RTL und N-TV sowie für die Bertelsmann-Internetseite "Handicap TV"  vor allem von den teilnehmenden Sportlern zu berichten. Zudem konnte sie gemeinsam mit dem Leiter des Corporate Center von Bertelsmann in Brasilien, Marc Puškarić, während der Paralympics rund 350 Gäste zum "Bertelsmann-Abend" im Deutschen Haus begrüßen. Im Interview erklärt Perdita Müller noch einmal die grundsätzliche Bedeutung des Themas Inklusion von Menschen mit Behinderungen für ein Unternehmen und warum die Paralympischen Spiele in diesem Zusammenhang so wichtig sind – auch für die Mitarbeiter bei Bertelsmann.

Seit wann nimmt sich Bertelsmann des Themas Inklusion von Mitarbeitern mit Behinderungen an und wie kam es dazu?

Perdita Müller: Bertelsmann hat im März 2015 eine Konzerninklusionsvereinbarung beschlossen und gehörte damit zu den Vorreitern unter den deutschen Unternehmen. Sie löste die 2012 verabschiedete Konzernintegrationsvereinbarung ab, die bereits deutlich über die gesetzlichen Rahmenbedingungen hinausgegangen war. Mit der Inklusionsvereinbarung können wir die Belange von Menschen mit Behinderungen im betrieblichen Alltag noch besser berücksichtigen, sie noch besser fördern. Ausgangspunkt war die Überzeugung, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht danach zu bemessen sind, was sie nicht können, sondern danach, was sie besonders gut können.

Was sind die wichtigsten Vorteile der Inklusion für Bertelsmann – und für die Mitarbeiter?

Perdita Müller: Die Inklusionsvereinbarung nützt allen Beteiligten. Bertelsmann profitiert von der hohen Motivation, Kreativität und Leistungsbereitschaft sowohl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung als auch derer ohne Handicap – durch die Vielfalt in den Teams entsteht eine ganz eigene, positive Dynamik. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderung können, so weit es ihnen möglich ist, wieder oder mehr teilhaben am Arbeitsleben, sich verstärkt einbringen und zeigen, wozu sie in der Lage sind. Sie tragen damit deutlich zum wirtschaftlichen Erfolg ihres Unternehmens bei. Inklusion bedeutet eben nicht nur mehr Wertschätzung, sondern auch mehr Wertschöpfung.

Wie können Paralympische Spiele zur Anerkennung von Menschen mit Behinderungen beitragen?

Perdita Müller: Ich bin davon überzeugt, dass dieser Gedanke, wie ich ihn eben geäußert habe, in der Welt des Sports eine ebenso entscheidende Rolle wie in der Wirtschaft spielt. Wenn man Menschen die Möglichkeit gibt, sie sogar darin unterstützt, sich zu engagieren, sich zu verwirklichen, vielleicht sogar über sich hinauszuwachsen, dann setzt das eine ungeheure Motivation frei – mit oft erstaunlichen Ergebnissen. Warum steigt eine junge Frau mit einem amputierten Bein auf ein Rennrad und trainiert ein Jahr lang hart für die Paralympics wie Denise Schindler? Sie ist übrigens bei einem Bertelsmann-Unternehmen angestellt und wurde eigens für dieses Training freigestellt. Weil sie es will. Weil sie es kann. Sie will alles geben und es allen zeigen. Dass Menschen, die es so wollen wie sie, die Chance haben, das dann auch zu tun, ist großartig. Ob als Sportler bei den Paralympics oder als Mitarbeiter mit Behinderung in einem Unternehmen. Wir müssen sie nur lassen – und nach Kräften unterstützen. Insofern helfen die Paralympischen Spiele, gerade wenn sie so viel Aufmerksamkeit bekommen wie in diesem Jahr, immens bei der Anerkennung der Belange von Menschen mit Behinderung.

Was bedeutet für Sie und die Mitarbeiter diese Art der Veranstaltung und auch für den Rest der Welt?

Perdita Müller: Ich finde den Gedanken toll, die Begeisterung aller Menschen für den Sport, ihre Emotionen und ihren Respekt vor den großartigen Leistungen der Sportler auf die Welt der Menschen mit Behinderung zu übertragen – und damit etwas eigentlich ganz Selbstverständliches zu erkennen: Wir sind alle Menschen. Ob wir nun eine Behinderung haben oder nicht. Interessant war zum Beispiel die Reaktion von Kindern, die bei einem Wettkampf in Rio neben mir im Publikum gesessen haben. Beim ersten Wettbewerb fragten sie ihre Eltern nach der Behinderung der Sportler. Beim nächsten waren es nur noch die Zeiten und Weiten der Sportler, die sie interessierten. So schnell geht das.

Was können Unternehmen Ihrer Meinung nach noch tun, um das Leben von Menschen mit Behinderungen weiter zu verbessern?

Perdita Müller: Sie können vor allem etwas ganz Selbstverständliches tun: Alle Menschen nicht nach ihren Einschränkungen beurteilen, sondern nach ihren Leistungen. Unternehmen, die ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter danach auswählen und in ihren Stärken fördern, werden davon profitieren. Diesen Gedanken immer mehr in die Köpfe der Menschen, in diesem Falle der Geschäftsführer, zu bekommen, ist unsere Aufgabe als Schwerbehindertenvertreter. Bei Bertelsmann haben wir in dieser Angelegenheit bereits viel erreicht – aber es gibt noch immer viel zu tun.

Den abschließenden TV-Beitrag des Bertelsmann-Teams von den Paralympischen Spielen in Rio de Janeiro finden Sie unter www.handicaptv.de  – mit dem bezeichnenden Titel "Wenn Träume wahr werden – Die Paralympics 2016"  . Darin kommen vier Athleten zu Wort, die während der Spiele begleitet wurden: die Radsportlerin Denise Schindler, die Leichtathletikstars Markus Rehm und Vanessa Low sowie die querschnittsgelähmte Kanutin Edina Müller.