Gütersloh, 25.10.2016

Keine Zukunft ohne Bildung

Steven P. Moran, Chief Learning Officer
Führung will gelernt sein – Zielgruppenspezifische Programme, flankiert durch individuelle Coachings, unterstützen Führungskräfte im "Leadership Campus" der neuen Bertelsmann University darin, die eigene Führung zu reflektieren und ihren Handlungsspielraum zu erweitern.
Strategische Lern-Plattform – Der "Function Campus" hilft bei der Umsetzung strategischer Ziele – fachspezifisch, bereichsübergreifend und netzwerkbasiert.

Themenbereich: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Kategorie: Projekt

Von der Zeitung zum E-Journal, vom Einkaufsbummel zum Onlineshopping, vom Tiefdruck zum digitalen Offsetdruck – die digitale Transformation ändert alles, und stellt dabei vieles infrage. Das erfordert insbesondere eine geänderte Haltung zu den Themen Wandel und Bildung. Mit der neuen Bertelsmann University macht der Konzern nun allen Mitarbeitern lebenslanges Lernen so einfach wie möglich. Ein Gespräch mit Chief Learning Officer Steven P. Moran, der bei der Learning-Strategie des Unternehmens federführend ist.

Wenn es bei Bertelsmann um das Thema Weiterbildung geht, wird von "Learning Innovation" gesprochen. Was ist damit genau gemeint: Lernen, mit Innovationen umzugehen? Oder die "Innovation des Lernens"?

Steven P. Moran _ Beides ist eine mögliche Erklärung. Im engeren Sinne geht es bei uns darum, gemeinsam mit den Mitarbeitern Transformation möglich zu machen. Dafür gilt es, notwendige Veränderungen umzusetzen, Innovationen hervorzubringen und den Umgang damit zu erlernen. Jeder Mitarbeiter weltweit soll fähig sein – und befähigt werden –, den Wandel des Unternehmens, unserer Produkte und Dienstleistungen, aber auch unserer Arbeitswelt, mitzugestalten. Genau da setzt das Thema Bildung bei Bertelsmann an: Wir müssen lernen, offensiv und kreativ mit Innovationen umzugehen und diese mehrwertschaffend in unsere Geschäfte zu integrieren. Und dafür brauchen wir Kompetenzen. Diese Kompetenzen werden übermorgen schon ganz andere sein als heute, als morgen. Darauf müssen ein Konzern und seine Mitarbeiter flexibel reagieren können. Kurz: Bertelsmann strebt eine nachhaltige Änderung der Lernkultur im Unternehmen an.

Warum muss diese Änderung der Lernkultur jetzt sein?

SPM _ Bertelsmann durfte schon früh schmerzvoll erfahren, wie schnell sich im digitalen Zeitalter ganze Branchen verändern. Das Stichwort für diese Umwälzungen ist "digitaler Wandel". Der bringt Veränderungen der Arbeitswelt mit sich, in der zunehmend komplexe IT-Kenntnisse gefragt sind. Es geht aber auch um neue Produkte, für deren Entwicklung und Herstellung bestimmte Fähigkeiten gefragt sind. Um Ihnen ein Beispiel zu geben: Ich selbst habe bei der BMG gearbeitet zu der Zeit, als die gesamte Wucht dieses Wandels die Musikbranche traf. Das Musikgeschäft hat sich fundamental geändert, und BMG hat sich und sein Geschäftsmodell radikal angepasst: weg vom "traditionellen" Tonträgergeschäft und hin zum Musikrechteverwalter. Denn der Markt hat sich grundlegend geändert vom Verkauf physischer Produkte hin zur Gewährleistung, dass Rechte möglichst umfassend vertreten und entsprechend monetarisiert werden können. Diesen Wandel selber mitzugestalten war eine prägende Erfahrung. Seitdem weiß ich, dass niemand heute mehr sagen kann: "Ich habe doch ausgelernt!" Aber nicht nur unsere Mitarbeiter müssen sich in ihrem Lernverhalten ändern und damit Veränderungen annehmen – wir als Unternehmen müssen auch passende innovative Lernformen entwickeln und vorhalten, die den ganz individuellen Bedürfnissen der Mitarbeiter Rechnung tragen.

Was verstehen Sie denn unter innovativen Lernformen?

SPM _ Die Digitalisierung ist unsere Herausforderung. Sie bietet aber auch ihre eigenen Lösungen. Das Lernen in digitalen Zeiten ist zeitlich und räumlich absolut flexibel geworden.

Ein Beispiel?

SPM _ Ich brauche ein bestimmtes Tool für Excel. Nun kann ich einen Excel-Kurs buchen, der in acht Wochen stattfinden wird. Am dritten Tag des gebuchten Kurses geht es dann, kurz vor der Kaffeepause, für eine halbe Stunde um das gewünschte Tool. So hat Weiterbildung bisher funktioniert: nicht immer sehr zielorientiert. Heute schaue ich mir stattdessen einen auf mein konkretes Bedürfnis maßgeschneiderten Onlinekurs bei lynda.com an, einen von bisher über 8.000, Tendenz rasch steigend. Diese neue Learning-Plattform, die weltweit bereits über 60.000 Bertelsmann-Mitarbeitern frei zugänglich ist, bietet großartige neue Möglichkeiten des Lernens.

Wieso überhaupt kümmert sich ein Unternehmen wie Bertelsmann so gründlich um Bildung, um Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern?

SPM _ Weil Bertelsmann als Medienunternehmen schon sehr früh in diesen Wirbelsturm des Wandels geraten ist, konnten wir auch sehr viel früher Ableitungen daraus treffen als Unternehmen, die jetzt erst damit konfrontiert sind. Die digitale Transformation erfordert eine neue Haltung zu den Themen Wandel und Bildung, die ja beide fest zusammenhängen. Und wenn ich eine neue Lernkultur bei Bertelsmann implementieren will, dann müssen die nötigen Impulse vom Zentrum ausgehen. Wenn wir Bildung ernst nehmen, können wir sie nicht dem Zufall überlassen!

Welchen Stellenwert haben die Bildungsthemen an der Konzernspitze?

SPM _ Bertelsmann hat in Sachen Bildung schon immer die Zeichen der Zeit erkannt. Das war bereits vor 25 Jahren so, als man als eines der ersten deutschen Unternehmen ein Duales Studium aus der Taufe gehoben hat. Und das ist auch jetzt so. Ich meine damit insbesondere die komplette Neuausrichtung der Bertelsmann University als zentrale Learning-Institution für Mitarbeiter und Führungskräfte.

Wie hat die Bertelsmann University sich verändert?

SPM _ Bertelsmann war auch im Bereich "Corporate Universities" ein echter Vorreiter. Seit fast 20 Jahren ist die Bertelsmann University ein wichtiger "Thinktank" unseres Konzerns. Man sieht daran, dass Bildungsthemen zur DNA unseres Unternehmens gehören. Anfang 2015 haben wir uns dann vor ein weißes Blatt Papier gesetzt und überlegt, wie Bildung bei Bertelsmann organisiert werden muss, um unseren Anspruch an "Learning Innovation" zukunftsfähig und in der ganzen Fläche erlebbar zu machen. Und zwar für jeden einzelnen Mitarbeiter, auch in der Peripherie. Wir haben die "neue" Bertelsmann University deshalb so aufgesetzt, dass darin viele bereits erfolgreiche Bausteine verschiedener interner Weiterbildungseinrichtungen unter einem Dach integriert wurden.

Wie genau kann man sich das vorstellen?

SPM _ Die neue Bertelsmann University umfasst vier Campus-Bereiche: Individual, Function, Leadership und Strategy. Individual heißt: Ich habe als Mitarbeiter ein konkretes Bedürfnis, zum Beispiel will ich besagtes Excel-Tool nutzen. Diese Angebote sind in der Regel digital verfügbar, videobasiert. Im Function-Campus wird gezielt die Weiterbildung von Mitarbeitern in bestimmten Business-Funktionen betrieben: Human Resources, Finanzen oder IT zum Beispiel. Beim Leadership- Campus geht es um individuelle Führungskompetenzen, vielfach in Form von Coachings. In diesem Campus ist auch die Bertelsmann Mitarbeiterbefragung integriert, die ja vor allem die Zufriedenheit der Mitarbeiter mit der Führung evaluiert. Der Bereich Strategy übernimmt dann wieder die klassischen Thinktank-Funktionen: Als Organisation die Kompetenzen und Fähigkeiten erkennen und vermitteln, die uns dann nachhaltig im Rahmen der Strategie beschäftigen werden.

"‚Digital first!‘ heißt nicht ‚digital only‘: Solange Bildungsangebote in einer physischen Welt besser funktionieren, werden sie nicht blind durch digitale ersetzt."

Steven Moran, Chief Learning Officer

Wird die neue Lern- und Bildungswelt dann rein digital sein?

SPM _ Unsere Vorgabe ist ganz klar: "Digital first!" Das heißt aber nicht "digital only". Solange Angebote in einer physischen Welt besser funktionieren, werden sie nicht blind durch digitale ersetzt. Das gilt nicht selten für Coachings oder wenn persönliche Interaktion und Reflexion gefragt sind. Wir haben auch die Erfahrung gemacht, dass Lerngruppen zum Beispiel bei der Online-Akademie Udacity, an der Bertelsmann einen Anteil hält, sich zu bestimmten Zeitpunkten im Lernprozess auch "offline" treffen, um gemeinsam zu arbeiten. Gerade die jüngeren Mitarbeiter schaffen den fließenden Übergang von on- zu offline und zurück spielend. Für sie gibt es da keine Trennung mehr zwischen "analoger Welt" und "digitaler Welt". Hierin sind sie einigen von uns älteren Semestern deutlich voraus. Die Weiterbildung soll bei Bertelsmann dank der Digitalisierung "effizienter, effektiver und flexibler denn je" werden.

Welches sind die wichtigsten Vorteile der Neustrukturierung?

SPM _ Es ist insbesondere bemerkenswert, wie schnell wir qualitativ hochwertige Lernangebote bereitstellen können, wenn wir einen neuen Bedarf erkannt haben. Im Gegensatz dazu wäre es viel komplexer und ein langwieriger Prozess, beispielsweise ein ortsgebundenes Seminar zu einem neuen Thema aufzusetzen. Sie brauchen einen Veranstaltungsort, einen festen Termin, einen vor Ort verfügbaren Referenten. Es muss also vieles organisiert werden, das mit dem eigentlichen Lernthema gar nichts zu tun hat, und das braucht seine Zeit.

Welches sind denn die gefragtesten Weiterbildungsthemen bei den Mitarbeitern?

SPM _ Zu den aktuell erfolgreichsten digitalen Kursen im Konzern gehören so unterschiedliche Themen wie "Customer Service Fundamentals", "Learning to Be Assertive" ("So wirst du selbstbewusst"), "Outlook 2010: Effektives E-Mail- Management" und "Time Management Fundamentals".

Wer darf die Angebote nutzen und wie oft? Sind die Angebote ausschließlich zur beruflichen Weiterbildung gedacht?

SPM _ Die Ressourcen von lynda.com können auch privat genutzt werden. Wobei die Grenzen zwischen beruflich und privat fließend sind, wie etwa bei Sprachtrainings. Letzten Endes profitiert ein Unternehmen immer, wenn Mitarbeiter sich weiterbilden.

Welche Rolle spielt das Bertelsmann Peoplenet bei der betrieblichen Weiterbildung?

SPM _ Im Bertelsmann Peoplenet, unserer 2013 gestarteten, konzernübergreifenden IT-Plattform für den Personalbereich, werden die Zugänge zu den Bildungsangeboten zentralisiert und gebündelt. Mitarbeiter können über das Peoplenet bei ihren Vorgesetzten die gewünschten Maßnahmen beantragen, erhalten die Genehmigung und können dort auch die Buchung der Kurse vornehmen.

Was haben Sie selbst im vergangenen Jahr über Bildung im Unternehmen gelernt?

SPM _ Ganz klar, dass Bildung für Bertelsmann gleich Zukunft ist. Und zwar ganz grundsätzlich, insofern die Erkenntnis über notwendige Fähigkeiten und Kompetenzen erfolgskritisch ist für die Umsetzung unserer Unternehmensstrategien. Aber auch sehr konkret: Viele Lösungen, deren Notwendigkeit wir für unseren Konzern erkannt haben, werden auch von anderen Unternehmen benötigt. Wir sind schließlich nicht die Einzigen, die sich einem substanziellen strukturellen Wandel ausgesetzt sehen. Wenn wir also Produkte kreieren, die uns nützen, als Unternehmen flexibel und zukunftsfähig zu bleiben, dann nützen diese sehr wahrscheinlich auch anderen. Bertelsmann hat als Medienunternehmen natürlicherweise einen sehr guten Zugang zu Bildungsthemen und -formaten. Es hat sich also ein neuer, spannender Markt aufgetan, in dem wir ganz vorne mitspielen wollen.

Mehr zum Thema Bildung sowie zu weiteren Corporate Responsibility-Themen lesen Sie im Magazin "24/7 Responsibility"  .