Gruner + Jahr | Hamburg, 27.08.2018

Großer Empfang zu 70 Jahren „Stern“

Anlässlich des „Stern“-Jubiläums lud Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher zu einem Senatsempfang ins Hamburger Rathaus ein. Die Redner des Abends: der ehemalige Bundesminister Sigmar Gabriel, G+J-Chefin Julia Jäkel, Peter Tschentscher und „Stern“-Chefredakteur Christian Krug.
Mit der „Stern“-Redaktion und zahlreichen Wegbegleitern aus Politik, Journalismus und Medienwirtschaft folgten rund 350 Gäste der Einladung in den Großen Festsaal des Hamburger Rathauses.
Julia Jäkel

Themenbereich: Medien & Services
Land: Deutschland
Kategorie: Preise & Auszeichnungen

Anlässlich des 70. Geburtstages des G+J-Magazins „Stern“ hatte Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher am Donnerstag zu einem Senatsempfang ins Hamburger Rathaus eingeladen. Die Redner des Abends waren der ehemalige Bundesminister Sigmar Gabriel, G+J-Chefin Julia Jäkel, Peter Tschentscher und „Stern“-Chefredakteur Christian Krug.

Leitmedium, Herzensangelegenheit oder journalistischer Wegbegleiter der Demokratie: Die Redner des Senatsempfangs fanden viele Namen, um den „Stern“ zu beschreiben. Seit 70 Jahren bestimmt das G+J-Magazin den öffentlichen Diskurs, berührt, bewegt. Die besondere publizistische Rolle des „Stern“ würdigte der Hamburger Senat am Donnerstagabend daher mit einem Festakt.

„Der ‚Stern‘ hat die Entwicklung des Journalismus im Nachkriegsdeutschland entscheidend mitgeprägt. Sein Erfolg ist eng mit Hamburgs Aufstieg zur Medienmetropole verbunden. Die liberale und kritische Haltung des ‚Stern‘ passt gut zum weltoffenen und modernen Hamburg“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher vor rund 350 Gästen. Seiner Einladung in den großen Saal des Hamburger Rathauses gefolgt waren unter anderem Eckart von Hirschhausen, FDP-Bundestagsabgeordnete Katja Suding, der Erste Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft, Dietrich Wersich, Kultursenator Carsten Brosda, NDR-Intendant Lutz Marmor, Musiker Joja Wendt, NDR-Moderatorin Anja Reschke, Ex-G+J-Zeitschriftenvorstand Rolf Wickmann sowie viele Ehemalige des „Stern“, darunter die Ex-Chefredakteure Manfred Bissinger und Werner Funk.

Alte Tugenden nicht aufgeben

G+J-Chefin Julia Jäkel betonte die Bedeutung, aber auch die Herausforderungen des Journalismus‘ derzeit: „Noch nie stand Journalismus weltweit so unter Druck wie heute: Medial wird von ihm erwartet, sich dauernd neu zu erfinden. Wir wollen relevant und interessant bleiben, dazu müssen wir ständig neue Themen und Formate entwickeln. Moralisch stellen die neuen Autoritären – von Erdogan, Putin über die AfD bis Donald Trump – unsere Legitimität grundlegend in Frage. Und finanziell graben uns Unternehmen wie Facebook das Wasser ab.“

Was also tun? „Weiter ausprobieren! Neugierig sein! Hinterfragen! Schreiben! Neues entwickeln! Weiterdenken!“, appellierte Jäkel. Es gelte, den neuen Journalismus für neue Generationen zu erfinden. „Das heißt aber nicht, dass wir alte Tugenden, die uns stark gemacht haben, aufgeben sollten: recherchieren, Dingen auf den Grund gehen, die Umwelt erspüren und sie kritisch reflektieren.“ Der „Stern“, so Jäkel, stehe wie schon in den vergangenen 70 Jahren auch weiterhin für unabhängigen, unbestechlichen Journalismus in der Bundesrepublik Deutschland: „Und meiner Meinung nach gab es selten einen Moment, in dem Demokratie und Journalismus einander so gebraucht haben wie jetzt. Der ‚Stern‘ ist und bleibt für unser Haus eine Herzensangelegenheit.“

Einen besonderen Platz im Herzen hat der „Stern“ auch bei Festredner Sigmar Gabriel inne. Der ehemalige Bundesaußenminister erzählte von seiner ganz persönlichen Beziehung zum „Stern“: „Ich gestatte mir jetzt mal so zu sein, wie der ‚Stern‘ zum Glück noch nie gewesen ist: nämlich distanzlos, tendenziös und ein bisschen kitschig. Aber heute ist einfach der richtige Tag für eine kleine Liebeserklärung.“ Die Liebesgeschichte habe bei ihm vor mehr als 45 Jahren begonnen; damals entschied sich seine Mutter, neben einer Fernsehzeitschrift auch „etwas Vernünftiges“ zu abonnieren: „Für uns tat sich damals eine neue Welt auf. Für einen kleinen Jungen in einer kleinen Stadt kamen mit dem ‚Stern‘ die große Welt, die große Politik und die großen Stars ins Haus. Glamour in Goslar – das gab es damals nur im ‚Stern‘“, erinnerte sich Gabriel. „Dem ‚Stern‘ ist in all diesen Jahren etwas gelungen, was vermutlich für alle Beteiligten anstrengend und fordernd war: journalistische Distanz zu bewahren und trotzdem keine Angst vor Nähe zu haben – das ist eine große und selten gewordene journalistische und verlegerische Leistung.“

„Demokratische Politik kann es ohne unabhängige Medien nicht geben“

Er habe sich beim „Stern“ immer gut aufgehoben gefühlt, sagte Gabriel. Politik und Journalismus hätten zwar unterschiedliche Rollen und Funktionen in einer Demokratie; aber beide würden sie sie verteidigen – gerade weil Qualitätsjournalismus der Politik kritisch gegenüber stehe. Die Pressefreiheit sei Bestandteil der Verfassung – aus guten Gründen. „Demokratische Politik kann es ohne unabhängige Medien nicht geben. Und deshalb müssen demokratisch gesinnte und überzeugte Politiker alles daransetzen, Pressevielfalt und Presseunabhängigkeit weltweit zu verteidigen“, so Sigmar Gabriel. „Bleiben Sie frisch, neugierig, wachsam und vital“, rief er dem „Stern“ und seinen Machern zu: „Bleiben Sie so, wie Sie immer waren, weil Sie immer zur Veränderung bereit waren. Aber achten Sie auch weiter auf die Schattenseiten in unserer Gesellschaft. Denn ein besseres Land kommt nicht von allein.“

Die abschließenden Worte gehörten „Stern“-Chefredakteur Christian Krug, der noch einmal die bewegte Geschichte des Magazins Revue passieren ließ: „Eigentlich gab es drei ‚Sterne‘. Den ersten, der im Jahr 1938 und 1939 im Deutschen Verlag erschien und der heute als Teil der NS-Propaganda gesehen werden muss. Den zweiten, den Henri Nannen 1948 erfand – und der sich an der optischen Machart des Vorgängers orientierte –, und den dritten, der sich in den 1960er-Jahren aus der Illustrierten zum politisch-gesellschaftlichen Magazin entwickelte. Wir feiern heute mit Ihnen den ‚Stern‘, den Nannen nach dem Krieg gegründet hat.“

Pressegeschichte und Pressezukunft

Mit der „Stern“-Redaktion und zahlreichen Wegbegleitern des „Stern“ aus Politik, Journalismus und Medienwirtschaft folgten rund 350 Gäste der Einladung in den Großen Festsaal des Hamburger Rathauses.

Dieser „Stern“, so Krug weiter, werde seit 70 Jahren Woche für Woche von einer engagierten Redaktion gemacht und von einem nicht minder engagierten Verlag getragen – und manchmal auch ertragen: „Bis heute ringen wir oft mit uns, oft kämpfen wir auch. Weil uns der ‚Stern‘ so am Herzen liegt. Er ist für uns nicht nur ein Stück Pressegeschichte, sondern auch Pressezukunft.“ Es sei nach wie vor Reporterleistung, die Wahrheit ans Licht zu bringen, über Missstände aufzuklären und den Mächtigen auf die Finger zu schauen. Das übernähmen auch in Zukunft keine Blogger, die für ihre Posts von der Industrie oder Lobbyverbänden bezahlt würden; und auch Youtube-Videos könnten eine Redaktion nicht ersetzen: „Wir Journalisten, auch die vom ‚Stern‘, haben die Aufgabe, aufzuklären. Im Kleinen wie im Großen. Und dieser Aufgabe wollen wir mit Lust, Energie und Leidenschaft nachkommen. Auch in den nächsten 70 Jahren. Der Verlag Gruner + Jahr und alle seine Mitarbeiter haben diese Aufgabe immer leidenschaftlich unterstützt. Darauf kann der ganze Verlag auch an diesem Tag stolz sein. Wir stellen eben keine Schrauben her, sondern Worte und Bilder, die die Gesellschaft verändern können. Es liegt an uns, dass sie ihre Wirkung behalten. Auch in einer Welt, die immer konfliktreicher und komplexer zu werden scheint.“

„Fragt man mich heute nach dem Journalismus der Zukunft, glaube ich, gibt es nur eine Antwort“, schloss Krug. „Wir werden uns dem Medienwandel sehr dynamisch anpassen müssen. Aber eines wird bleiben: Die Menschen lieben Geschichten. Das ist der Treibstoff unseres Erfolges. Und der wird bleiben, da bin ich ganz sicher. Es gibt noch sehr viel zu erzählen.“