Gruner + Jahr | Hamburg, 28.10.2016

Anne Meyer-Minnemann: "Vielfalt ist ein Katalysator für Kreativität"

Anne Meyer-Minnemann

Themenbereich: Medien & Services, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
Land: Deutschland
Kategorie: Projekt

Diversity, die Vielfalt von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ist nicht nur ein Thema für Personalabteilungen sondern hat als Wettbewerbsfaktor für die allermeisten Unternehmensfunktionen Relevanz. Manager sehen Mitarbeitervielfalt daher zunehmend als strategischen Vorteil. Bei der Bertelsmann Diversity Conference 2016 stellten fünf Führungskräfte aus verschiedenen Bertelsmann-Unternehmensbereichen Fallstudien vor. Sie zeigten, inwiefern Vielfalt für ihre Unternehmen einen konkreten Business-Case darstellt. Im zweiten Teil der Reihe  sprach Núria Cabutí, CEO der Penguin Random House Grupo Editorial über die Relevanz von Diversity beim Merger mit der Verlagsgruppe Santillana. Die Chefredakteurin des People- und Lifestyle-Magazins "Gala" Anne Meyer-Minnemann erklärt im dritten Teil der Serie, wie Vielfalt in der Redaktion zum wirtschaftlichen Erfolg des Magazins beiträgt.

Inwiefern ist Vielfalt für Ihr Geschäft relevant?

"Gala" ist ein People- und Lifestyle-Magazin mit einer Auflage von etwa 280.000 Exemplaren, das wöchentlich 3,19 Millionen Leser erreicht. Unsere Themen umfassen People, Fashion, Beauty und Lifestyle. Die Mehrzahl unserer Leser – etwa 86 Prozent – sind Frauen. Dennoch spiegelt sich das Geschlecht unserer Zielgruppe erst seit Kurzem auch im Top Management von "Gala" wider. Gleiches gilt für meine Position als Chefredakteurin, die ich seit 2014 innehabe. Meine Vorgänger waren durchweg Männer. Wie die meisten Chefredakteure der G+J-Zeitschriften bisher. Die Vielfalt, die mein Team in die Arbeit einbringt, ist für unsere täglichen kreativen Entscheidungsprozesse und im Umgang mit hohem Termindruck ein wesentlicher Faktor.

Wie sieht Ihr Business Case aus?

Konzentrieren wir uns unter den vielen Aspekten der Vielfalt zunächst auf die Geschlechterstereotypisierung, womit all die Rollenklischees gemeint sind, die wir dem einen oder dem anderen Geschlecht bisweilen zuweisen. Diese zeigen sich implizit – in indirekten Äußerungen –, und zwar nicht nur in unserer Sprache und unserem Handeln, sondern auch in der von uns gewählten Bildsprache. Als visuelles Medium geben wir diese Bildsprache an unsere Kunden weiter. Ein Beispiel: Möglichkeiten, einen weiblichen Körper zu porträtieren, gibt es viele. Als Frauen haben wir im Allgemeinen einen anderen Blick auf unseren Körper als Männer. Ein männlicher Kollege mag ein bestimmtes Bild einer ganz oder teilweise nackten Frau sehr anziehend finden; eine weibliche Redakteurin empfindet dasselbe Bild dagegen möglicherweise als sexistisch und objekthaft, kurz, als ein Bild, das uns Frauen Unbehagen bereitet. Auf der Diversity-Konferenz habe ich ein Beispiel gezeigt.

Aus diesem Grund wählen wir die Bilder, die wir zeigen, sehr sorgfältig aus. Und das positive Feedback unserer Leser zeigt, dass sich die Bewertung von Bildern und Inhalten unter Gender-Aspekten und verschiedenen Perspektiven auszahlt. Wenn es mir gelingt, das Selbstverständnis meiner Kunden widerzuspiegeln, kann ich ihre Interaktion mit meinem Produkt positiver gestalten. Das gilt natürlich nicht nur für den Gender-Aspekt, sondern für alle anderen Diversity-Aspekte ebenso, denn auch sie beeinflussen die Wahrnehmung von "Gala" und damit unsere Verkaufszahlen. Jüngste Marktforschungsergebnisse bestätigen unseren neuen Ansatz: "Gala" hat sich in Sachen Leserzufriedenheit seit 2014 deutlich gesteigert. Das Magazin ist nicht mehr so sensationslüstern, sondern zeigt sich menschlicher und empathischer.

Ein weiteres Marktforschungsergebnis zeigt, dass sich unsere Leser in der Vergangenheit ausgeschlossen fühlten, wenn sie Features über sehr junge Celebritys lasen, von denen sie noch nie etwas gehört hatten. Sie hatten das Gefühl, nicht mehr zur Zielgruppe von "Gala" zu gehören. Wir schenken also dem durchschnittlichen Alter unserer Kunden mehr Aufmerksamkeit, und mit dieser Veränderung ist es uns gelungen, die Zufriedenheit unserer Leser zu steigern.

Welche sonstigen Fortschritte konnten zuletzt verbucht werden, und wie können wir andere Kulturen so beeinflussen, dass sie der Vielfalt offener gegenüberstehen?

Ich glaube, wir haben schon viel verändert. Wir haben unsere Gesprächskultur verbessert und unseren Workflow mit der Einrichtung interdisziplinärer Teams neu gestaltet. Ich bin davon überzeugt, dass kreative Prozesse dann am erfolgreichsten sind, wenn wir ein Thema aus so vielen Perspektiven wie möglich betrachten. Je vielfältiger das Team, desto mehr gedankliche Vielfalt und Perspektiven sind verfügbar. Jedoch können kreative Teams ihr vollständiges Potenzial nur dann entwickeln, wenn Vielfalt gefördert und Verschiedenheit geschätzt wird. Was meine ich damit in einem beruflichen Kontext? Zunächst ist es wichtig, dass wir aufhören, Vielfalt in binären Kategorien zu betrachten, in der Art "die männliche Perspektive" oder "die weibliche Perspektive". Wir müssen uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass Diversity-Kategorien per definitionem heterogen sind. Frauen denken nicht grundsätzlich dasselbe. Männer auch nicht. Und auch nicht alle Menschen über 50 oder mit einem bestimmten ethnischen Hintergrund. Das mag sich wie eine Selbstverständlichkeit anhören, aber ich erlebe tagtäglich Stereotypen – wie vermutlich die meisten Menschen. Wir müssen unsere Gesprächskultur dahingehend verändern, dass wir Unterschiede und Verschiedenheit wenn nicht fördern, so doch schätzen. Deshalb versuche ich, die Verschiedenheit jedes einzelnen Teammitgliedes in unserem kreativen Prozess anzunehmen. Sie betrachten die Welt aus so vielen unterschiedlichen Blickwinkeln; daraus ergeben sich unglaubliche Möglichkeiten, eine Story zu präsentieren! Aus diesem Grund ermutigen wir unsere Kollegen, sich aktiv an Diskussionen zu beteiligen. Wir gehen auf sie zu und fragen sie direkt nach ihrer Meinung und bitten sie, uns zu sagen, wie sie über eine Sache denken. Das ist und bleibt der einzige Weg, Gruppendenken zu neutralisieren und den besten Ideen an die Oberfläche und zum Erfolg zu verhelfen. Ich persönlich kann das Schaffen einer gemeinschaftlichen und inklusiven Arbeitsumgebung jedem nur ans Herz legen. Aus meiner Sicht ist das der beste Weg, um zu neuen Ideen und starken Lösungen zu finden.

Wie geht es weiter auf dem Weg der Veränderung?

Ich glaube fest an Vielfalt als Katalysator für kreative Prozesse. Ich denke, wir sollten den Aspekten der Vielfalt im Recruitment-Prozess allgemein mehr Aufmerksamkeit widmen. Bei "Gala" haben wir zum Beispiel etwas, was ich als umgekehrte Geschlechterkluft bezeichne. Die Mehrheit unserer Teammitglieder sind – aufgrund unserer Themen – Frauen. Mein nächstes Ziel besteht darin, männliche Redakteure zu ermutigen, den Bereich des wöchentlichen People- und Lifestyle-Journalismus auszuprobieren. Es lohnt sich – und wir könnten ihre Perspektiven sehr gut gebrauchen!

Die Bertelsmann Diversity-Konferenz 2016 wurde von der Abteilung Corporate Responsibility & Diversity Management – einem Teilbereich von Corporate HR – ausgerichtet. Bei Fragen oder Anmerkungen zur Konferenz oder zur Diversity-Strategie von Bertelsmann wenden Sie sich bitte an: .