BMG | Berlin, 14.04.2020

„Büros mögen geschlossen sein, aber das Geschäft läuft weiter“

Ben Katovsky

Themenbereich: Corona, Gesellschaft
Land: International
Kategorie: Projekt

Wie leitet man ein globales Musikunternehmen mit 900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus dem Homeoffice? Einer, der es wissen muss, ist Ben Katovsky. Der Chief Operating Offcier (COO) der Bertelsmann-Musiktochter führt das „Resilience“-Team von BMG. Es sorgt dafür, dass die Musik auch in der Corona-Krise weiterspielt.

Herr Katovsky, wie geht es BMG in der Corona-Krise?

Ben Katovsky: Im Großen und Ganzen geht es uns erstaunlich gut. Wir haben BMG nahtlos von einem Unternehmen an 19 Standorten in ein Unternehmen, das von mehr als 900 verschiedenen Standorten aus tätig ist, verwandelt. Kunden werden bezahlt, digitale Songwriting-Sessions veranstaltet und Alben veröffentlicht. Unser Team hat großartig reagiert. Die Herausforderungen sollten wir aber nicht unterschätzen. Viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben eine große Veränderung erlebt. Einige wenige sind erkrankt. Es besteht ein klarer Bedarf, unsere Teams in dieser besonderen Situation zu unterstützen. Aber insgesamt können wir sehr stolz auf das Erreichte sein.

Denken wir uns ein paar Wochen zurück: Wann wurde das Corona-Virus ein Thema für BMG?

Ben Katovsky: Da wir Büros in Beijing und Hongkong haben, waren wir bereits Ende Januar beziehungsweise Anfang Februar betroffen und haben sehr früh Erfahrungen mit der Arbeit im Homeoffice gesammelt. Als sich die Situation Ende Februar in Italien zuspitzte, haben wir das Resilience-Team gebildet, bestehend aus den Leitern der HR, IT, Corporate Communications und mir, um die Situation besser steuern zu können.

Wie lautet der Auftrag des Resilience-Teams?

Ben Katovsky: Unsere oberste Priorität war es, die Gesundheit und die Sicherheit unserer 900 Kolleginnen und Kollegen weltweit sicherzustellen und die Kontinuität der Geschäfte zu gewährleisten. Beginnend mit der schrittweisen Einschränkung von Dienstreisen und mit dem „Social Distancing“ koordinierte das Resilience-Team die Umstellung auf die Arbeit im Homeoffice. Das zentrale Resilience-Team wurde ergänzt durch lokale Teams und Resilience-Manager in unseren internationalen Büros. Dies führte zu einem zentral koordinierten Plan, der die vorhandenen Ressourcen nutzt, sich aber gleichzeitig auf die Expertise und die Empfehlung von Bertelsmann stützt. Mit dem Fortschreiten der Situation hat sich auch die Rolle des Resilience-Teams verändert. Nachdem die Geschäftskontinuität mit der Umstellung auf die Arbeit im Homeoffice erfolgreich sichergestellt werden konnte, hat sich der Schwerpunkt auf die Betreuung unserer Kunden, die Unterstützung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Bewältigung aktueller Herausforderungen und schließlich auf die Vorbereitung auf eine Rückkehr ins Büro verlagert.

Warum ist die Umstellung auf die Arbeit im Homeoffice bei BMG so reibungslos verlaufen?

Ben Katovsky: Unser größtes Asset sind die Entscheidungen, die lange vor dem Corona-Virus getroffen wurden. Vor elf Jahren beschloss Bertelsmann mit der Gründung von BMG, in eine integrierte Technologieplattform zu investieren, die die üblicherweise getrennten Verlags- und Labelrechte weltweit aus einer Hand abdeckt. Diese Infrastruktur ist nicht nur sehr viel moderner als die einiger unserer Wettbewerber, sie hat sich auch als unglaublich robust erwiesen. Zudem hatten wir bereits die strategische Entscheidung getroffen, den Großteil unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Desktops auf Laptops umzustellen und Cloud-Tools wie Office 365 und Microsoft Teams einzuführen. Die Kombination dieser Faktoren hat uns in eine sehr gute Ausgangsposition versetzt. Wir haben das Glück, ein großartiges IT-Team zu haben. Unsere Mitarbeiterbefragung hat ergeben, dass unglaubliche 99 Prozent der Befragten zufrieden sind mit der Technik, die es ihnen ermöglicht, von zuhause aus zu arbeiten.

Zum erfolgreichen Arbeiten im Homeoffice gehört mehr als die richtige Technik. Wie geht BMG in dieser Zeit mit den anderen Bedürfnissen der Teams um?

Ben Katovsky: Es ist wichtig, die Herausforderungen nicht zu unterschätzen, denen viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüberstehen, sei es die Kinderbetreuung oder – für Alleinlebende – das Gefühl der Isolation, wenn sie in demselben Raum leben und arbeiten. Wir haben sehr viel Zeit investiert, Feedback von unseren Kolleginnen und Kollegen einzuholen und zuzuhören. Wir haben eine Reihe von „Wohlfühlinitiativen“ gestartet, darunter Abos für alle unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weltweit für Headspace, eine App für Meditation, Bewegung und Schlaf, virtuelle Yoga- und Sportkurse sowie eine Reihe von Online-Events wie Geburtstagsfeiern oder Bingo. Gleichzeitig investieren wir in Trainings, um Manager dabei zu unterstützen, ihre Teams „remote“ zu leiten.

Das Geschäft ist also nicht zum Erliegen gekommen?

Ben Katovsky: Ganz und gar nicht. Unsere Büros mögen geschlossen sein, aber das Geschäft von BMG läuft weiter. Die Umstellung auf die Arbeit im Homeoffice fiel mitten in die Zeit, in der die Tantiemen unserer Kunden bearbeitet und ausgeschüttet werden. Am Ende haben wir keine Zeit verloren, und die Zahlungen an über 12.000 Kunden verliefen reibungslos. Unsere Synch-Abteilung, die Lizenzen für Filme, Fernsehen und Werbespots vergibt, hat in den vergangenen Wochen einige sehr bedeutende Deals abgeschlossen. Und wir ermöglichen auch weiterhin Songwriting-Sessions für unsere Songschreiber und veröffentlichen die Alben unserer Künstlerinnen und Künstler.

Und wie war die Reaktion der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Ben Katovsky: Einige der E-Mails, die wir erhalten haben, haben uns sehr bewegt. Die Resonanz war überwältigend positiv. Sie schätzen unsere regelmäßige, offene und angemessene Kommunikation, die Tatsache, dass wir flexibel auf ihre Bedürfnisse eingehen und Tools zur Verfügung stellen, die ihr Wohlbefinden fördern.

Die Ergebnisse unserer weltweiten Mitarbeiterbefragung sind extrem positiv und spiegeln das Engagement und die Bemühungen unserer Teams in den Bereichen IT, HR, Office Management und Corporate Communications wider. So haben zum Beispiel 92 Prozent der Befragten angegeben, dass ihre Erfahrungen mit der Arbeit von zuhause aus entweder gut oder sehr gut sind. 99 Prozent waren mit der Kommunikation von BMG rund um das Thema Corona-Virus zufrieden oder sehr zufrieden, und 98 Prozent gaben an, mit der allgemeinen Reaktion von BMG auf die Pandemie zufrieden oder sehr zufrieden zu sein.

Wie kommuniziert BMG in dieser Krise mit den Kunden?

Ben Katovsky: COVID-19 ist natürlich nicht nur eine Herausforderung für uns und für die Gemeinschaft, in der wir leben, sondern auch für die Künstlerinnen, Künstler und Songwriter, die wir vertreten. Auf ihnen liegt unser Hauptfokus, und es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir während dieser Krise und darüber hinaus mit ihnen kommunizieren. BMG hat eine Instant-Messaging-Funktion auf der „myBMG“-App aktiviert, um Verlags- und Labelkunden gleichermaßen zu versichern, dass die Auszahlung ihrer Tantiemen nicht unterbrochen werden. Kunden, die sich bei „myBMG“ einloggen, sehen ein Pop-up-Fenster, das all die Maßnahmen erläutert, die BMG ergreift, um den Dienst auch während der Pandemie aufrechtzuerhalten. Dieses Pop-up-Fenster gibt uns die Möglichkeit, den mehr als 10.000 Songwritern, Künstlerinnen und Künstlern, die „myBMG“ nutzen, umgehend mit wichtigen Informationen zu versorgen. Wir sind uns nur allzu bewusst, dass viele unserer Kunden aufgrund der Auswirkungen des Virus auf das aktuelle Geschäft finanziell leiden. Ich bin froh, dass wir in der Lage sind, sie in dieser Situation zu beruhigen. Einige von ihnen haben um finanzielle Unterstützung gebeten, und wir haben gemeinsam Lösungen gefunden. Gleichzeitig bringen wir eine Reihe von Innovationen voran, die bereits in Planung waren, um ihnen das Leben in dieser Zeit etwas zu erleichtern.

Wie wirkt sich das Corona-Virus auf die Musikindustrie insgesamt aus?

Ben Katovsky: Aktuell sind sie Auswirkungen erheblich. Das Livegeschäft ist eingebrochen, ein Großteil des physischen Einzelhandels war geschlossen und die klassische Promotion ist stark beeinträchtigt. In der gegenwärtigen Krise brauchen Künstlerinnen, Künstler ebenso wie Songwriter alle Hilfe, die sie bekommen können. Wir stehen in engem Kontakt mit unseren Kundinnen und Kunden und erhalten sehr positive Rückmeldungen zu unseren Bemühungen, sie zu informieren und einzubinden. Neben anderen Initiativen haben wir einen "Best Practice Guide" für digitalen Content und Social Media erstellt, und wir haben den Launch der "Watchlist" vorangetrieben, einer Funktion innerhalb unserer myBMG-App, die Songwritern und Artists kreative Möglichkeiten der Zusammenarbeit bietet in einer Zeit, in der sie nicht reisen können.

Da viele Plattenläden geschlossen sind, welchen Einfluss hat das auf geplante Album-Veröffentlichungen?

Ben Katovsky: Wir veröffentlichen weiterhin Platten, sowohl digital als auch physisch. In einigen Fällen wurden die physischen Produkte auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, aber dank der Streaming-Dienste, die von Covid-19 größtenteils unbeeinflusst bleiben, geht es wirklich ganz normal weiter. Marketing und Werbung während der Pandemie laufen komplett digital, und es ist unglaublich, wie Künstlerinnen, Künstler und Songwriter auf diese neuen Herausforderungen reagieren. Ein Beispiel von vielen: 70.000 Zuschauer waren live dabei, als der BMG-Künstler Max Giesinger beim ersten „#WirbleibenZuhause“-Festival auf Instagram eine neue Version seiner aktuellen Single vorstellte. Die Einnahmen, die der Song „Nie stärker als jetzt“ aus Verkäufen und Streams generiert, kommen über die „Stiftung RTL – Wir helfen Kindern e. V.“ der Hilfsaktion „Gemeinsam gegen Corona – gemeinsam für Kinder“ zugute.

Und wie geht es weiter?

Ben Katovsky: Es erscheint unwahrscheinlich, dass sich die Situation so schnell wieder normalisieren wird. Es wird langfristige Auswirkungen geben. Einige davon werden negativ sein, und einige positiv. Während dieser Krise haben wir einen großen Sprung nach vorn gemacht, wenn es um die Einführung digitaler Tools geht. Wir konzentrieren uns auf diese positiven Auswirkungen. Es ist wichtig, nicht zu vergessen, dass es Licht am Ende des Tunnels gibt.