Literatur bei Bertelsmann

Bauen für die Kunst

Wie baut man eigentlich für das Kulturpublikum von morgen?

Mit Sir David Chipperfield, Jacques Herzog, Regine Leibinger, HG Merz und Franco Stella

Von links: Sir David Chipperfield, Hermann Parzinger, Franco Stella, Jacques Herzog, Vivian Perkovic, HG Merz, Regine Leibinger
Das Auditorium der James-Simon-Galerie
v.l.: Vivian Perkovic, Franco Stella, Jacques Herzog, HG Merz
Sir David Chipperfield und Vivian Perkovic
Regine Leibinger im Gespräch mit Prof. Dr. Hermann Parzinger, dem Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
Im Anschluss fand ein Empfang in der James-Simon-Galerie statt
Regine Leibinger
Herrmann Parzinger spricht mit David Chipperfield

Nach mehr als zehnjähriger Bauzeit wurde im Juli die James-Simon-Galerie als zentrales Besucherzentrum der Berliner Museumsinsel eröffnet. Am Dienstag hatten Bertelsmann, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, ZDF, Deutschlandfunk Kultur und 3sat zur ersten öffentlichen Veranstaltung, einer Ausgabe des Literaturformats „Blaues Sofa“, in das neue Forum der James-Simon Galerie eingeladen. Mehr als 250 Gäste, darunter viele Architekten, Konservatoren, Politiker und Journalisten, waren der Einladung gefolgt, um die Stararchitekten Sir David Chipperfield, Jacques Herzog, Regine Leibinger, HG Merz und Franco Stella zu erleben. Sie alle haben bedeutende Bau- und Sanierungsprojekte in der deutschen Hauptstadt verantwortet, beispielsweise den Wiederaufbau des Neuen Museums auf der Museumsinsel, die Sanierung der Alten Nationalgalerie und der Staatsoper Unter den Linden und den Wiederaufbau des Berliner Schlosses.

Wie positioniert sich eine Kulturnation wie Deutschland im nationalen wie auch im globalen Umfeld, wo das Renommee von Bauwerken und das Prestige ihrer Architekten häufig als entscheidende Faktoren gelten? Vor dem Hintergrund explodierender Kosten von Kulturbauwerken und vielfacher gesellschaftlicher Skepsis um Prestigebauten diskutierten die fünf Architekten, wie vertretbar deren Umsetzung überhaupt ist. Nicht erst der jahrelange Streit um den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses und die Proteste gegen den Bau der Hamburger Elbphilharmonie hätten gezeigt, wie dringlich ein öffentlicher Diskurs über diese Fragen ist. Auch über das Budget für den Neubau des Berliner Museums des 20. Jahrhunderts hatte es einen erbitterten Streit gegeben, und erst fünf Tage vor dem Blauen Sofa hatte der Haushaltsauschuss des Deutschen Bundestages die neu ermittelten Baukosten für den Bau des Museums des 20. Jahrhunderts bewilligt, bereits am 3. Dezember soll der erste Spatenstich erfolgen.

Dessen Architekt Jacques Herzog erklärte, er könne die Kritik an dem 450 Millionen Euro teuren Projekt verstehen, auf der anderen Seite könne große Architektur jedoch an entscheidenden Stellen eine Stadt neu erfinden und Kräfte mobilisieren. Dem widersprach HG Merz nicht, er forderte jedoch, dass sich kulturelle Bauten zukünftig „mehr für Publikum und Umgebung öffnen müssten“. Regine Leibinger machte auf die wachsende Rolle von Nachhaltigkeit und Digitalisierung aufmerksam und verwies darauf, dass bezahlbarer Wohnraum für die Bürger zur Zeit das vordringliche Problem sei. Dem stimmten alle Architekten ausdrücklich zu. David Chipperfield warnte sogar davor, prestigeträchtige Kulturbauten mit identifikationsspezifischen Ansprüchen zu überfrachten, und darüber die „alltäglichen Bauaufgaben“ wie den Bau von Wohnungen und Schulen zu vernachlässigen. Die Menschen würden sich heute zunehmend in Diskussionen um öffentliche Bauten einmischen – aus „Angst, ihre Stadt zu verlieren“.
Nach sechzig Minuten Diskussion applaudierte das Publikum anhaltend. Beim anschließenden Get-together gingen die Gespräche im kleinen Kreis weiter.