News | Gruner + Jahr | Hamburg, 27.07.2020

Journalistenausbildung in Zeiten von Corona

Wie sieht die Ausbildung künftiger Journalistinnen und Journalisten in Zeiten von Corona aus? Im Interview spricht Christoph Kucklick, Leiter der Hamburger Henri-Nannen-Schule, über Improvisationsfreude, Veränderungen, die bleiben dürfen, und die Stimmung bei den Schülerinnen und Schülern.

24 Monate lang lernen die Schülerinnen und Schüler der Hamburger Henri-Nannen-Schule zu recherchieren, zu schreiben, Videos und Podcasts zu produzieren und vieles mehr – die ganze Palette des journalistischen Handwerks. Corona warf den Lehrplan durcheinander. „Ausnahmezustand. Aber läuft!“, sagt Schulleiter Christoph Kucklick. Im Interview mit dem G+J-Intranet „Greenport“ berichtet er von Improvisationsfreude, Veränderungen, die bleiben dürfen, und der Stimmung bei den Schülerinnen und Schülern. 

Herr Kucklick,  zum Job  von Journalistinnen und Journalisten gehört es, immer nah dran zu sein an Menschen und Themen. Wie  erleben Sie die Zeit des Abstandhaltens in der  Nannen-Schule? 
Gerade sind wir überglücklich: Seit dem 13. Juli halten wir wieder Präsenzunterricht. Die 18 Schülerinnen und Schüler des aktuellen Lehrgangs lernen gemeinsam im G+J-Auditorium, dem einzigen Raum, der groß genug ist. Wir tragen Masken, wir halten uns an alle Auflagen – und genießen, dass wieder jene „Nähe” möglich ist, die für intensive Diskussionen und gemeinsame Übungen so wichtig ist. Vier Monate lang haben die Schülerinnen und Schüler sowohl den Schulunterricht als auch ein Praktikum aus dem Homeoffice absolviert – das ging erstaunlich gut und war zugleich eine extrem harte Zeit für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Ich bewundere ihre Flexibilität, Disziplin und Kreativität: Dieser Lehrgang hat eindeutig bewiesen, dass er für den Journalismus geschaffen ist. 

Wie wirkt sich  Corona auf die Ausbildung  und Ihre  Lehrinhalte aus?  
Im März sind wir von einem auf den anderen Tag in den Online-Betrieb gegangen. Wir mussten das Programm des Seminars in Windeseile komplett umstellen, weil nicht alles per Video geht. Aber die Improvisationsfreude von Dozentinnen und Dozenten wie Schülerinnen und Schülern war beeindruckend – wie der ganze Verlag hat auch die Schule erlebt, welche Veränderungen möglich sind in kurzer Zeit. Jetzt nutzen wir den Sommer der Lockerungen, um wieder vor die Tür zu gehen: Im aktuellen Seminar lernen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, Videos zu drehen und zu produzieren. 

Maske tragen und Abstand halten – was müssen Sie noch beachten, um das Seminar vor Ort durchführen zu können? 
Im Auditorium sitzen wir jeweils einige Meter voneinander entfernt. Auf Notizblöcken kleben Namensschilder, damit sie nicht vertauscht werden, über den Bürotüren hängen Zettel mit der maximalen Anzahl von Personen, die jeweils in den Räumen erlaubt ist. Ausnahmezustand. Aber läuft! Auch wegen der Hilfe, die wir von Gesundheitsschutz und Immobilienmanagement bei Gruner erhalten haben; ohne sie hätten wir die aufwändigen Vorbereitungen für diesen und alle weiteren Kurse in diesem Jahr nicht gewuppt. 

Gibt es Veränderungen, die Sie auch nach der Corona-Zeit beibehalten  oder vielleicht sogar ausbauen  wollen?  
Unbedingt! Ein Beispiel: Traditionell begrüßen wir ein- bis zweimal pro Woche Abendgäste zu sehr lebhaften Diskussionen über aktuelle journalistische Themen. In diesem Seminar kommen unter anderem Anja Reschke vom NDR, die Autorin Alice Hasters („Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten“), Jochen Wegner, Chefredakteur von zeit.de, und Stefan Ottlitz, der neue Co-Geschäftsführer des „Spiegel“. Wir haben immer großen Wert gelegt darauf, dass die Gäste vor Ort sind, was die Auswahl stark einschränkt. Nun wissen wir: Auch eine Videokonferenz kann lebhaft sein, das erlaubt uns, interessante Gäste von Ferne oder gar anderen Kontinenten zuzuschalten. 

Und wie  erleben die Nannen-Schülerinnen und -Schüler diese Zeit?  Sehen sie jede Menge Stoff für gute Geschichten, oder fehlt ihnen  das  Zusammensein?  
Die meisten Schülerinnen und Schüler sind neu in Hamburg, sie wollen die Stadt kennenlernen, Freunde finden, hart arbeiten und auch mal hart feiern – und plötzlich sitzen sie vier Monate lang einzeln in winzigen WG-Zimmern vor Laptop-Bildschirmen. Das ist schon brutal. Sie haben diese Zeit jedoch sehr gut und produktiv genutzt, exzellente Texte geschrieben und in Redaktionen auf sich aufmerksam gemacht. Aber würde ich sie fragen, ihre Antwort wäre dieselbe wie von uns allen: Möge diese Krise bald vorbei sein!