News | Gruner + Jahr | Paris, 27.02.2014

Interview mit Rolf Heinz, Président von Prisma Media

Rolf Heinz, Président von Prisma Media

Ende 2009 übernahm der Manager Rolf Heinz die Führung der französischen Gruner + Jahr-Tochter Prisma Media und damit dessen traditionsreichsten und wichtigsten Markt außerhalb Deutschlands. Seit knapp einem Jahr leitet er zusätzlich alle Auslandsgeschäfte von Gruner + Jahr in Europa.

Rolf Heinz hat nicht nur die Spitzenposition des Verlages an den französischen Kiosken behauptet. Er hat vielmehr in einem anspruchsvollen Umfeld Marktanteile hinzugewonnen und eine Digitalsparte aufgebaut, die innovativ und inzwischen auch einträglich ist. Heinz hat allen Unkenrufen zum Trotz gezeigt: Mit Print-Marken lässt sich auch in der digitalen Welt Geld verdienen. Und er hat ein klares Ziel vor Augen: Die Schaffung eines integrierten, multimedialen Mediums der Zukunft, das die Qualitäten eines Magazins mit jenen der verschiedenen digitalen Medien vereint, und das die Menschen so anspricht und bewegt, wie es heute die Magazinmarken von Prisma Media in Frankreich tun. Die Bertelsmann-Redaktion traf Rolf Heinz zum Unternehmergespräch.

Herr Heinz, mit dem Einstieg bei AdVideum– und damit der größten Transaktion in der Geschichte Ihres Unternehmens – sowie dem Start der französischen Ausgabe der „Harvard Business Review“ hat Prisma Media binnen weniger Tage einen starken Jahresauftakt hingelegt ...

Rolf Heinz : ... der darüber hinaus schon einiges über unsere Strategie aussagt. Denn beide Schritte machen deutlich, in welche Richtung wir Prisma Media steuern: Zum einen setzen wir die Produktoffensive unvermindert fort. Wir starten neue Hefte, erneuern kontinuierlich unsere bestehenden Titel und entwickeln darüber hinaus digitale Angebote verschiedenster Art, mit denen wir die Bedürfnisse unserer Zielgruppen bestmöglich abdecken. Dabei stützen wir uns auf unsere starken Marken, mit denen wir mehr als zwei Drittel aller Franzosen erreichen. Zum anderen akquirieren wir neue Geschäfte in Wachstumssegmenten, wenn dieser Weg schneller und besser zu einer starken Wettbewerbsposition führt und wir uns damit wichtige, komplementäre Kompetenzen ins Haus holen können. Das ist zum Beispiel in den Bereichen Technologie, Video und Monetarisierung des Digitalgeschäfts der Fall –  und damit bei AdVideum, der führenden Vermarktungsgesellschaft für Videowerbung in Frankreich. AdVideum hat mehr als 300 Premiummarken unter Vertrag, darunter alle namhaften Zeitungs- und Zeitschriftenmarken des Landes. Wir haben zunächst einen Anteil von 70 Prozent an diesem Unternehmen erworben. Nachdem wir vor einem Jahr bereits die Mehrheit an Mobvalue, dem führenden Mobil-Premiumvermarkter in Frankreich, übernommen hatten, sind wir heute führend in der Vermarktung von Mobilwerbung sowie von Bewegtbild-Werbung im Netz. Ich bin fest davon überzeugt, dass Video und Mobile die beiden großen Wachstumssegmente der Zukunft sind, in denen wir durch eine kreative Vermarktung gutes Geld verdienen können.

Dennoch starten Sie mit der „Harvard Busisness Review“ zugleich eine ganz klassische, gedruckte Zeitschrift. Ist dafür noch Platz an den französischen Kiosken?

Rolf Heinz : Für herausragende neue Produkte ist Platz, auch wenn der französische Zeitschriftenmarkt strukturell im Abwärtstrend ist. Er hat sich zuletzt schwächer als in Deutschland oder Österreich entwickelt, aber etwas besser als in Spanien oder Italien. 2013 hatten wir im Markt ein Minus von rund zehn Prozent in Einzelverkauf und Anzeigengeschäft zu verkraften. Der Abwärtstrend wird sich nicht umkehren lassen. Das bedeutet für uns, dass wir besser als der Markt sein und Marktanteile hinzu gewinnen müssen. Effiziente Kosten und Strukturen sind eine wichtige Basis. Es reicht aber nicht, nur seine Hausaufgaben zu erledigen. Entscheidend ist, dass wir innovativ sind, dass wir neue Dinge schaffen und unsere Inhalte über alle relevanten Medien und Kanäle in jeweils maßgeschneiderter Form anbieten.

Geht diese Rechnung denn auf?

Rolf Heinz : Ja, die Rechnung geht auf. Prisma Media hat nach längerer Zeit in den vergangenen beiden Jahren wieder Marktanteile in allen Bereichen hinzugewonnen. Allein von 2012 auf 2013 sind wir im Einzelverkauf am Kiosk, der zwei Drittel unserer Verkäufe ausmacht, von 23,5 auf 23,8 Prozent Marktanteil gewachsen. Bei den Abos haben wir von 12,4 auf 12,9 Prozent zugelegt und bei den Anzeigen Print von 21,1 auf 21,6 Prozent.

Und im Digitalgeschäft?

Rolf Heinz : ... haben wir unseren Umsatz im gleichen Zeitraum um über 70 Prozent gesteigert, organisch um 25 Prozent. 2013 haben wir zehn Prozent des Gesamtumsatzes von Prisma Media mit unserem Digitalgeschäft erzielt. Das ist das Zehnfache im Vergleich zu 2009. In diesem Jahr werden wir dank des Einstiegs bei AdVideum schon bei mehr als 15 Prozent landen. Und was dabei entscheidend ist: Hatten wir im Digitalgeschäft 2009 noch einen Verlust von sechs Millionen Euro zu verkraften, so konnten wir 2013 dort einen Gewinn von fünf Millionen Euro verbuchen. Diese Entwicklung, diesen Turnaround hätte uns vor vier Jahren kaum jemand zugetraut. Dabei hat er gezeigt: Mit starken Print-Marken lässt sich auch in der digitalen Welt Geld verdienen. Voraussetzung ist, dass man deutlich weiter denkt und geht als bei einer reinen Markenerweiterung ins Internet hinein.

Wie haben Sie das konkret gemacht?

Rolf Heinz : Ich habe schon bald nach meinem Antritt eine eigene digitale Geschäftseinheit gegründet und wie ein Start-up geführt. Wir haben Digitalunternehmer und Experten mit komplementärem Know-how rekrutiert, die unsere bestehenden Teams verstärkt haben, vor allem in den Schlüsselbereichen Technologie und Vermarktung. Sie führendas Geschäft unternehmerisch, mit Fokus auf Umsatz und Ergebnis, und nicht als Marketingaktivität oder reine Erweiterung des Printportfolios. Während die Verantwortung für Marken und Inhalte in den Verlagsgruppen und Redaktionen verblieb, haben wir diejenige für Aufbau, Betrieb und Monetarisierung des Digitalgeschäfts gebündelt. Die Entwicklung des Bereichs und die Tatsache, dass das Digitalgeschäft heute in etwa die gleiche Rendite abwirft wie das Print-Geschäft, sprechen für sich – und für unser digitales Start-up.

Welche Faktoren haben sich für Sie als entscheidend im digitalen Geschäft herausgestellt?

Rolf Heinz : Für uns haben sich im Laufe der Zeit vier kritische Faktoren herauskristallisiert, um im digitalen Mediengeschäft wirtschaftlich erfolgreich zu sein: Vorsprung in der Technologie, hohe Reichweite, kostengünstige Inhalte und eine starke Kundenbeziehung. Mindestens drei der vier muss man erfüllen, um nachhaltig Geld im Digitalen zu verdienen.

Gibt es ein Projekt bei Prisma Media, das diese Faktoren erfüllt?

Rolf Heinz : Ja, das Paradebeispiel ist unser Digitalgeschäft von TéléLoisirs, das heute die höchste Umsatzrendite aller Produkte unseres Verlages einfährt. Die Marke hat eine extrem große Reichweite, die Programminhalte lassen sich zu geringen Kosten erstellen und technologisch sind wir der Konkurrenz immer einen Schritt voraus gewesen, beispielsweise bei unserer App, mit der die Nutzer ganz einfach Videoaufnahmen via Smartphone starten können. Es gibt Tage, da erreicht diese App mehr als eine Million unterschiedliche Nutzer, und die monatliche Mobilreichweite übertrifft jene von Facebook in Frankreich.

Warum ist der Erfolg im Digitalgeschäft für Ihren Verlag so wichtig?

Rolf Heinz : Weil diesem Geschäft die Zukunft gehört. Wir erleben eine Konvergenz der Medien, die uns ganz neue schöpferische und unternehmerische Möglichkeiten eröffnet. Text, Bild, Bewegtbild, Audioinhalte, soziale Interaktion, Gaming, E-Commerce – all dies lässt sich auf einer digitalen Plattform zu einem neuen Ganzen, zu einem neuen Nutzererlebnis zusammenführen. Meine persönliche Ambition ist, gemeinsam mit unseren Teams ein neuartiges Medium zu entwickeln, ein multimediales Magazin. Niemand weiß besser als wir, wie man ein emotionales, ansprechendes und gutes Magazin macht. Wenn heute in unseren Redaktionen neben Text und Bild das Video gleich mitgedacht wird und Redakteure in unserem Studio Bewegtbild- und Audioinhalte produzieren, ist das nur der Anfang. Wir wollen verlegerische Maßtäbe auch in der digitalen Medienwelt setzen. Ich habe mir dazu einen Satz gemerkt: Die beste Art, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu erfinden.

Und das Printgeschäft?

Rolf Heinz : Das Printgeschäft wird insgesamt strukturell rückläufig bleiben, aber bei uns noch über lange Zeit gute Erträge erwirtschaften. Wir richten unser Augenmerk auf eine Steigerung des Unternehmenswertes. Das heißt im Kontext strukturell rückläufiger Printmärkte: nicht Umsatzwachstum steht im Mittelpunkt, sondern eine Steigerung des Umsatzanteiles unserer Wachstumsgeschäfte sowie eine nachhaltig positive Ergebnisentwicklung.

Ist das so einfach zu schaffen?

Rolf Heinz : Nein, das ist mit harter Arbeit auch an unserem Zeitschriftengeschäft verbunden. Noch machen wir bei Prisma Media gut 80 Prozent unseres Umsatzes mit den klassischen gedruckten Zeitschriften. Wir sind die Nummer zwei in diesem Markt und möchten unsere Marktposition weiter ausbauen, an Lagardère vorbeiziehen und Marktführer werden.

Wie wollen Sie das umsetzen?

Rolf Heinz : Indem wir kontinuierlich an unseren bestehenden Zeitschriften arbeiten und gleichzeitig neue Zeitschriften starten. Wir haben, auch nach manchem Wechsel an der Spitze in den vergangenen Jahren, die besten Chefredakteure für unsere Titel und leidenschaftliche Redaktionen, die Woche für Woche oder Monat für Monat die besten Themen ausgraben und aufbereiten, die schönsten Fotostrecken schießen, die tollsten Cover gestalten und die den richtigen Riecher haben für das, was die Menschen in Frankreich lesen wollen. Im Ergebnis steht ein Titelportfolio, das sich vor allem am Kiosk besser verkauft als das aller Konkurrenten.

Wie ist denn heute die Gewichtung innerhalb dieses Portfolios? Welche sind die wichtigsten Magazine von Prisma Media?

Rolf Heinz : Unsere im Hinblick auf Auflagenhöhe und Anzeigenumsatz größten Titel sind gleichzeitig unsere wirtschaftlich erfolgreichsten:  Die Frauenzeitschrift „Femme Actuelle“, das People-Magazin „Gala“ und die drei Programmtitel „Télé-Loisirs“, „Télé 2 Semaines“ sowie „TV Grandes Chaînes“. In der zweiten Reihe folgen die Magazine „Capital“, „Geo“, „Çam'interesse“, „Prima“ und „Voici“, alles Zeitschriften, die sich mit einzigartigen Konzepten von ihrem Wettbewerbsumfeld abheben und Teil der französischen Kulturlandschaft geworden sind.

Sie sprachen die Gründung neuer Titel an. Neben den vielen Line Extensions gab es zuletzt mit „Neon“ eine richtige Neugründung von Prisma Media. Wie läuft „Neon“?

Rolf Heinz : „Neon“ kommt bei den jungen Franzosen richtig gut an. Wir liegen bei einer verkauften Auflage von 50.000 Heften und möchten nach überschaubaren Investitionen spätestens im nächsten Jahr die Gewinnzone erreichen. „Neon“ ist ein – für Prisma-Verhältnisse – relativ kleines, sehr innovatives journalistisches Projekt mit positiver Strahlkraft für unseren Verlag nach innen und nach außen. Im ersten Jahr nach dem Start haben wir den Innovationspreis des französischen Verlegerverbandes gewonnen, und wir erhalten regelmäßig Liebesbriefe von Lesern für dieses Magazin – manche davon kollektiv verfasst… Wichtig ist uns auch, dass wir mit dem Titel eine junge, attraktive Zielgruppe mit einer Menge Potenzial erreichen.

Nun folgte nach vielversprechendem Testlauf die französische Ausgabe der „Harvard Business Review“. Haben Sie schon weitere neue Titel und Relaunchesfür 2014 in der Pipeline?

Rolf Heinz : Haben wir. Nachdem wir 2013 einen erfolgreichen Relaunch von „Gala“ und von „Management“ durchgeführt haben, wird 2014 das Jahr der Frauenmagazine, an deren Erneuerung wir gerade arbeiten. Zudem planen wir weitere Line Extensions, also den Launch neuer Magazine unter Benutzung unserer starken Marken. In den vergangenen drei Jahren haben wir 15 neue Line Extensions auf den Markt gebracht, zum Beispiel„Çam’interesseHistoire“, „Geo Art“ oder „Femme ActuelleJeux Extra“. Titel, die von Beginn an positive Ergebnisse erwirtschaften. Die nächste Neueinführung ist „Gala Beauty“ als vierteljährliches Magazin zum Thema Schönheit, durch Celebrities verkörpert. Und es wird auch selbst ein schönes Heft im Großformat und mit einer großzügigen Gestaltung. Ähnlich wie bei unserem Tagesmagazin „Gala Croisette“ zu den Filmfestspielen in Cannes ist dies ein exklusiver Titel mit Event-Charakter. Wir arbeiten bei „Gala Beauty“ mit drei Kosmetikketten zusammen, die ihren Kunden das Heft als Zugabe zum Einkauf schenken werden, wodurch wir eine sehr hohe Auflage und gleichzeitig eine zielgruppengerechte Ansprache erzielen.

Und ganz neue Hefte?

Rolf Heinz : ... wird es auch 2014 geben. Wir haben drei konkrete Projekte, an denen wir gerade arbeiten. Aber mehr kann ich dazu heute noch nicht sagen.

Verraten Sie uns denn, wie Sie solche neuen Hefte entwickeln?

Rolf Heinz : Zum weit überwiegenden Teil mit unseren bestehenden Redaktionen aus eigenem Antrieb und aus eigener Kraft. Wir haben so viele kreative Talente in unseren Redaktionen, die immer auch mit neuen Ideen für neue Zeitschriften kommen, dass es eine Freude ist, mit ihnen zusammenzuarbeiten.