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News | BMG | Berlin, 13.04.2017

Interview mit Hartwig Masuch über BMG

„BMG ist auf dem Weg zum Allrounder“

Ob Rolling Stones oder Scorpions, Black Sabbath oder Iron Maiden, Jean Michel Jarre oder Peter Maffay … es scheint, als stünden in erster Linie große Stars von gestern für den Erfolg eines Musikunternehmens von heute und morgen: der BMG. Und dieser Eindruck täuscht keineswegs: „Die langfristige, tief verwurzelte Relevanz eines Musikers ist für uns weitaus wichtiger – und gewinnbringender – als jedes One-Hit-Wonder“, ist Hartwig Masuch überzeugt, der Musik-Business und -Branche kennt wie kaum ein Zweiter. Im Unternehmergespräch spricht der Gründer und CEO von BMG über den fulminanten Start seines Unternehmens in das Musikjahr 2017, von dem er sich und uns übrigens auch weiterhin noch eine Menge verspricht, und über den Weg der BMG vom Musikverlag zum Allround-Musikunternehmen neuer Prägung.

Der Deal mit Nickelback und die Übernahme der BBR Music Group kurz nacheinander Ende Januar, dann der Exklusivvertrag mit Netflix und die Gründung der Production Music Agentur Anfang Februar – Herr Masuch, die BMG legt einen rasanten Start in das Jahr 2017 hin. Wie kommt das? Aber vor allem: Wie soll das weitergehen?

Hartwig Masuch: Wir haben einen starken Jahresauftakt erwischt – und es war wirklich nur der Auftakt. Das wird in den kommenden Wochen und Monaten so weitergehen, wobei ich heute natürlich noch nichts über die Künstler sagen darf, die bei uns bald ein neues Zuhause finden werden. Fest steht: Neun Jahre nach ihrer Gründung ist die BMG endgültig in der Musikwelt angekommen und nimmt jetzt richtig Fahrt auf. Heute interessieren sich Künstler für uns, die jederzeit auch zu einem der Majors, zu Sony oder Universal, gehen könnten. Sie wägen ab zwischen denen und uns – und immer mehr entscheiden sich für die BMG, weil wir bewiesen haben, dass wir globale Musikkarrieren aufbauen, begleiten und am Laufen halten können. Das Prinzip ist doch klar: der Erfolg nährt den Erfolg. Je mehr Musiker mit BMG erfolgreich sind, desto mehr andere sehen das und kommen, um ebenfalls an unserer Seite groß zu werden ...

… oder in den meisten Fällen groß zu bleiben. Wie kommt es, dass so viele BMG-Künstler von den Stones über die Scorpions bis hin zu Jean Michel Jarre schon so lange im Geschäft sind?

Hartwig Masuch: Auf den ersten Blick mag das überraschen, weil sich nach außen hin im Musikgeschäft alles um den aktuellen One-Hit-Pop dreht. Aber das täuscht. Was zählt, ist die langfristige, tief verwurzelte Relevanz eines Künstlers und seiner Musik. Und das lässt sich belegen: an den ausverkauften Megakonzerten der Alt-Stars genauso wie an der Tatsache, dass 70 Prozent aller Streamings bei Spotify auf den sogenannten Deep Catalogue entfallen, also auf Songs längst vergangener Jahrzehnte. Das gilt übrigens für die gesamte Branche: 70 Prozent der Umsätze werden mit etablierten Musikern gemacht, 30 Prozent mit neuen. Die Umsätze der jeweiligen Top-50-Songs machen in den USA zusammen in einem Monat gerade einmal drei Prozent des Musikgeschäftes aus.

Somit hat das alles mit der Nostalgie des Musikmanagers, der so viele dieser Stars begleitet hat, nichts zu tun?

Hartwig Masuch: Jeder hier bei BMG liebt die Musik, liebt seine Musik. Ich natürlich auch. Ich freue mich, mit einigen Idolen meiner Jugend heute zusammenzuarbeiten. Aber ich weiß auch, dass andere Idole es nicht geschafft haben und jetzt Taxi fahren. Jede Dekade der Musikgeschichte hat fünf oder sechs Ikonen geschaffen. Viele von denen sind heute bei uns. Trotzdem: Wir müssen und können das alles auch ganz rational als Geschäft begreifen. Und dann sehen wir, dass das Publikum über 40 das meiste Geld hat und auch das meiste Geld für Musik ausgibt. Dessen Musikgeschmack ist also für uns relevanter als der schnell wechselnde Geschmack der Teenies. Wobei für mich übrigens ganz klar ist, dass auch unsere Zeit ihre Ikonen schaffen wird – aber was bleibt, werden wir erst im Rückblick wissen.

Entdeckt die Generation 40+ denn gerade ihre Musik wieder?

Hartwig Masuch: Das kann man so sagen – der Digitalisierung sei Dank. Jeder kann mit Hilfe der Suchfunktionen und Algorithmen der Streaming-Dienste binnen Sekunden eine Playlist mit den großen Hits seiner Jugend zusammenstellen. Damit wird dann auch endgültig klar, dass der persönliche Musikgeschmack des Hörers im Zeitalter der Digitalisierung allein kaufentscheidend ist. Die Plattenindustrie hat die Entscheidungshoheit darüber vollends verloren, weil es nicht mehr relevant ist, welche Musik sie produziert, auf eine CD brennt und in den Handel bringt. Das ist alles ganz egal heute.

… entspricht aber genau dem Geschäftsmodell der BMG?

Hartwig Masuch: Die BMG ist in der Tat das erste vollständig digitale Musikunternehmen der Welt und sie reagiert umfassend auf eine zunehmend digitale Musiklandschaft. Wir denken digital, und wir handeln digital. Und das global, schnell, flexibel, vor allem aber immer im Sinne des Künstlers, der auch finanziell das größte Stück von Kuchen – nämlich 80 Prozent – bekommt. Ich erinnere immer gern daran, dass die BMG im selben Jahr gegründet wurde wie Spotify und damit das Streaming. Das ist unsere Welt, nicht die der physischen Tonträger. Es ist aber auch die Zukunft der Musik. Daran zweifelt heute niemand mehr.

Seit 2008 erobert die BMG mit dieser Haltung das Musikverlagsgeschäft, wendet sich inzwischen aber verstärkt dem Geschäft mit der Recorded Music zu. Warum?

Hartwig Masuch: Weil das Recorded-Music-Geschäft aufgrund vielfacher, meist digitaler Monetarisierungswege immer stärker nach den Mechanismen des Music-Publishings abläuft. Beides funktioniert weltweit, digital und ohne physische Träger. Zudem verschwimmen die Grenzen zwischen beiden. A&R beispielsweise, also der Aufbau eines Musikers, unterscheidet gar nicht mehr zwischen ihnen. Allerdings, und da kommen wir zum Kern des Ganzen, der Umsatz im Recorded-Music-Geschäft ist bei einer vergleichbaren Transaktion acht- bis zehnmal so groß wie der im Musikverlagsgeschäft. Das ist schon sehr attraktiv für uns.

Also ist BMG auf dem Weg vom Musikverlag zum Allround-Musikunternehmen…

Hartwig Masuch: …neuer Prägung. Ja, das stimmt. Ich gehe davon aus, dass sich unsere Geschäfte in Richtung 50:50 oder gar 60:40 zugunsten der Recorded Music verschieben werden. Heute macht sie erst 10 Prozent aus. Aber wie gesagt: Da spielt die Musik. Und die Künstler freuen sich, ja sie verlangen danach, alle Leistungen und ein Rundum-Sorglos-Paket samt Betreuung aus einer Hand zu bekommen. Und das meine ich wörtlich: Bei uns wird ein Künstler von einem Mitarbeiter betreut. Gegenseitiges Vertrauen ist entscheidend.

Aber wenn schon Allrounder, warum galt dann der bisher größte Recording-Deal in der Geschichte der BMG mit der BBR Music Group ausgerechnet einem Country Label?

Hartwig Masuch: Dafür gibt es drei gute Gründe: Erstens, weil wir mit diesem Deal unsere Präsenz in einem attraktiven Segment des wichtigsten Export-Musikmarktes der Welt ausbauen. Zweitens, weil Country eine riesige, weltweite Fangemeinde weit über die Grenzen der USA hinaus hat, die wir wie kein anderes Musikunternehmen digital erreichen können. Und drittens, weil Country längst nicht mehr Country ist. Moderne Country Music wie beispielsweise BBR sie macht, ist zum Mainstream-Rock mutiert. Während Urban und Pop Music ihre Heimat in New York haben, wird Nashville so mehr und mehr zu einem Magneten für Rock-Künstler. Sie treffen in den Studios dort einen Jon Bon Jovi genauso wie einen Jason Aldean, einen der derzeit erfolgreichsten Country-Musiker. Er steht bei BBR Music unter Vertrag – und auch seine Musik hat oft mehr mit Rock als mit Country gemein. Dasselbe gilt übrigens für einen Superstar wie Taylor Swift.

Welche Rolle spielen die USA denn insgesamt heute für die BMG? 

Hartwig Masuch: Wir erwirtschaften in den USA die Hälfte unseres Umsatzes. Da ist zum einen der überaus wichtige nordamerikanische Markt selbst. Zum anderen gibt es eine deutliche Verschiebung von Großbritannien Richtung USA, was den erfolgreichen Export von Musik angeht. Startpunkt für den globalen Siegeszug eines Künstlers sind heute in aller Regel die USA. Das gilt für die Musik genauso wie für den Film. Für unser internationales Geschäft bleibt UK die Nummer zwei, gefolgt von Australien.

Und Nashville, Tennessee, ist auf dem Weg zur Musikhauptstadt der USA?

Hartwig Masuch: Ich sehe das so. Das Leben in New York ist für viele Künstler einfach zu teuer geworden. Nashville hingegen lockt sie seit einigen Jahren geschickt an: mit einem günstigeren Umfeld und einer perfekten Infrastruktur in Sachen Musik. Dort entstehen hochmoderne Studios, immer mehr Produzenten und Musikfirmen lassen sich in Nashville nieder, die Stars und Talente folgen einer nach dem anderen. Die kreative Szene verlagert sich gerade dorthin – und wir, die BMG, sind dabei.