News | London, 16.05.2023

Kreative Partnerschaften

Boost@Bertelsmann: Fremantle

Die RTL-Group-Tochter Fremantle hat eine Reihe von gemeinsamen Projekten mit berühmten und erfolgreichen Filmschaffenden wie Angelina Jolie und Edward Berger auf den Weg gebracht. Im Interview spricht Christian Vesper über die Bedeutung solcher Partnerschaften für Fremantle.

Als am 12. März in Los Angeles die diesjährigen Oscars vergeben wurden und der Film „Im Westen nichts Neues“ des deutschen Regisseurs Edward Berger mit gleich vier Trophäen ausgezeichnet wurde, da war auch bei Christian Vesper die Freude groß. Vesper ist CEO of Global Drama bei Fremantle und damit für alle fiktionalen Formate – gleich ob Serien oder Filme – der RTL-Group-Tochter verantwortlich, die im Englischen unter dem Begriff „Drama“ zusammengefasst werden. Außerdem hat er die direkte Aufsicht über die fiktionalen Labels von Fremantle, darunter Miso Film („Face to Face“, Wildside („My Brilliant Friend“), The Apartment („Bones and All“), Element Pictures („Normal People“), Lux Vide („Medici“), Dancing Ledge Productions („The Salisbury Poisonings“) und Passenger („This England“).

Vesper hatte wenige Wochen zuvor, Anfang Februar, einen Zweijahresvertrag mit dem renommierten Regisseur und dessen Produktionsfirma Nine Hours abgeschlossen, der Fremantle zum Partner Bergers für alle neuen TV-Projekte macht. In der Vergangenheit hatte Edward Berger bereits internationale Erfolge mit Serien wie „Deutschland 83“ (UFA Fiction), „The Terror“ und „Patrick Melrose“ feiern können. Im Interview spricht Christian Vesper über die Bedeutung der Partnerschaft mit Berger und anderen Kreativen wie der bekannten Schauspielerin Angelina Jolie für Fremantle.

Herr Vesper, wie wichtig sind Kooperationen mit einzelnen Top-Kreativen für Fremantle?

Christian Vesper: Sie sind unglaublich wichtig. Im Kern geht es beim Drama-Geschäft von Fremantle um Kreativität und das Erzählen von Geschichten. Die Boost-Strategie von Bertelsmann unterstützt Fremantle dabei, Projekte zu realisieren, die die Menschen sehen und kaufen wollen. Seitdem ich vor sieben Jahren zu Fremantle gekommen bin, haben wir immer wieder festgestellt, dass es kreative Talente sind, die uns zum Erfolg und zum Wachstum führen. Gute Beispiele dafür sind international erfolgreiche Produktionen von Fremantle wie „My Brilliant Friend“, „The Young Pope“ und „The Responder“. Sie waren nur möglich dank der hochklassigen Talente vor und hinter der Kamera: Filmemacher, Drehbuchautoren, Regisseure. Es sind Talente wie Paolo Sorrentino, Neil Cross, Luca Guadagnino und Martin Freeman. Bei TV-Serien und -Filmen oder Kinofilmen handelt es sich ja nicht um standardisierte Produkte, sondern hinter dem Erfolg eines jeden Projekts steckt die Vision eines Künstlers. Unser Geschäft besteht darin, zusammen mit unseren Produzenten diese Künstler und Künstlerinnen zu finden und davon zu überzeugen, mit uns und unseren Produzenten zu arbeiten. Für mich gehören unsere Produzenten übrigens genauso zu den kreativen Talenten. Beziehungen mit Kreativen aufzubauen und ein Umfeld zu schaffen, in dem sie sich entwickeln können, ist ganz wesentlich für unsere Arbeit. Der Markt für fiktionale Serien- und Filmproduktionen ist heute vor allem im Fernsehbereich unglaublich wettbewerbsintensiv. Ob man es schafft, die Finanzierung für ein neues Drama-Projekt zu sichern und es dann zu realisieren, hängt ganz wesentlich von den Kreativen ab, die man in dieses Projekt einbringen kann. Sind dies die Leute, die die Networks an dieser Stelle sehen wollen, dann ist man einen großen Schritt weiter.

Und wie überzeugen Sie diese Kreativen davon, mit Fremantle zu arbeiten? 

Da kommt ein Mix aus verschiedenen Faktoren ins Spiel. Ein weiterer Grund, warum Kreative so enorm wichtig sind für Fremantle, ist, dass Talente andere Talente anziehen. Wenn sie gute Dinge über die Arbeit mit Fremantle zu sagen haben, und wenn klar ist, dass wir sie dabei unterstützen, ihre Projekte umzusetzen, dann spricht sich das herum und führt dazu, dass weitere Talente gerne mit uns arbeiten möchten. Genau das ist in den vergangenen Jahren passiert. Zu Beginn meiner Zeit bei Fremantle war das nicht so leicht; einer der ersten Kreativen, die ich für Fremantle gewinnen konnte, war Pablo Larraín, Drehbuchautor und Regisseur erfolgreicher Filme wie „Jackie“ über Jackie Kennedy und „Spencer“ über Prinzessin Diana. Ich kannte ihn bereits zuvor, doch es hat einige Zeit gedauert, ihn davon zu überzeugen, mit Fremantle zu arbeiten. Als er jedoch realisierte, dass unsere Produktionsfirmen wie Wildside mit Regisseuren wie Paolo Sorrentino zusammenarbeiten, wurde ihm klar, dass er sich in wirklich guter Gesellschaft befinden würde. Persönliche Beziehungen sind also überaus wichtig für unser Geschäft, und unser gesamtes Top-Management pflegt diese Art von Beziehungen zu kreativen Talenten.

Ein weiterer Punkt ist, dass wir eine gute Erfolgsbilanz vorweisen können. Die im Rahmen der Boost-Strategie zur Verfügung gestellten Mittel haben es uns ermöglicht, in die Förderung von Talenten zu investieren, die uns helfen, unsere Erfolgsbilanz aufrechtzuerhalten. Ich bin zudem davon überzeugt, dass wir und die Kreativen, mit denen wir arbeiten, übereinstimmende Vorstellungen davon haben, wie Dinge angepackt werden sollten. Wir alle wissen den Fleiß zu schätzen, der mit der Film- und TV-Produktion verbunden ist.

Fremantle ist eine sehr unternehmerisch denkende Firma mit flachen Hierarchien und einer auf die Unterstützung unserer Kreativen ausgerichteten Denkweise. Filmemacher, Drehbuchautoren, Regisseure, Produzenten, sie alle möchten Projekte realisieren, und wir fragen uns immer wieder, wie wir ihnen dabei helfen können. Und schließlich macht uns unsere weltweite Präsenz interessant. Wir können Ressourcen in der ganzen Welt einsetzen und unsere Produktionen international vertreiben. Diese Reichweite und unsere Kompetenz bei der Umsetzung finden mittlerweile Anklang bei den Kreativen.

Fremantle hat in den vergangenen Jahren mit vielen Kreativen Partnerschaften besiegelt. Die berühmteste unter ihnen dürfte die Schauspielerin Angelina Jolie sein. Wie ist es dazu gekommen?

In unserer Branche gibt es wie in anderen Kreativbranchen auch ein geschäftliches Ökosystem, das aus Agenten, Managern, Anwälten, Studios und Networks besteht. Wir alle sprechen viel miteinander. Fremantle gilt mittlerweile als erfahrener Partner, der bereit und in der Lage ist, genügend Ressourcen für anspruchsvolle Projekte zur Verfügung zu stellen, so dass wir auch immer mehr Angebote in dieser Richtung erhalten. Im Fall von Angelina Jolie kam der Kontakt über Lorenzo De Maio von De Maio Entertainment zustande, der uns mit seinen Kontakten als Berater schon bei einer Reihe von Deals unterstützt hat. Angelina Jolie wird von der Agentur vertreten, für die Lorenzo De Maio früher gearbeitet hat. Auf seine Empfehlung hin hat diese Agentur dann bei uns angefragt. Manchmal ist bei so etwas einfach das richtige Timing entscheidend. Angelina Jolie steht an einem Punkt ihrer Karriere, wo es für sie immer wichtiger wird, selbst die Kontrolle zu übernehmen über ihre Projekte und über die Geschichten, die sie erzählen möchte. Und sie hat das Profil und die Marktpräsenz, um dies auch zu erreichen. Es sah für uns auf Anhieb nach einer guten Kombination aus.

Ein Element unserer Vereinbarung, das jemand wie Angelina Jolie zu schätzen weiß, ist der Zugang zu unserem Top-Management. Sie steht nicht nur in regelmäßigem Kontakt mit Lorenzo De Maio und mir, sondern hat auch Zugang zu Führungskräften wie Jennifer Mullin und Andrea Scrosati – denn ein wesentliches Merkmal von Fremantle ist unsere Offenheit und Erreichbarkeit. Unser gesamtes Geschäft beruht schließlich auf dem Austausch von Ideen. Danach sprechen natürlich im Hintergrund Agenten und Anwälte über Konditionen, doch bevor das geschehen kann, muss es zunächst einmal auch auf der persönlichen Ebene passen.

Was genau kann Fremantle einem Star wie Angelina Jolie bieten? 

Angelina Jolie fand vor allem unsere Erfolgsbilanz mit Top-Regisseuren sehr attraktiv. Die Möglichkeit, mit hochkarätigen Filmemachern wie Luca Guadagnino, Michael Winterbottom und Alice Rohrwacher zu arbeiten, hat sie sehr gereizt. Das zeigte ihr, dass wir für jemanden mit ihren Ambitionen der richtige Partner sind. Denn sie möchte zum einen relevante Geschichten erzählen, zum anderen aber auch unterhaltsame Actionfile wie „Salt“ drehen können. Fremantle ist in der Lage, Angelina Jolies Ambitionen in vielerlei Hinsicht zu unterstützen – sei es, um ein großes Action-Projekt auf die Beine zu stellen, sei es, um flexibler zu sein und sich auf kleinere Projekte zu konzentrieren, die sich für die großen Studios vielleicht nicht lohnen würden, für uns aber schon.

Bitte erzählen Sie etwas über die ersten gemeinsamen Projekte mit Angelina Jolie.

Wir haben als erstes gemeinsames Projekt im vergangenen Jahr mit ihr in Rom den Film „Without Blood“ gedreht. Sie ist gerade dabei, ihn zu schneiden, es haben ihn also noch nicht viele Menschen gesehen. Aber ich kann sagen, dass es ein wirklich schöner und für sie sehr persönlicher Film ist. Auch ist einer unserer Produzenten an der Produktion von „Maria“ beteiligt, einem Film von Pablo Larraín über das Leben der berühmten Opernsängerin Maria Callas. Angelina Joli als Maria Callas, da kann ich mir kaum etwas Glamouröseres vorstellen.

Und wie ist der Vertrag mit dem Regisseur Edward Berger zustande gekommen?

Ich kenne Edward tatsächlich schon, seit er „Deutschland 83“ gedreht hat. Ich war damals in den USA für die Ausstrahlung der Serie auf Sundance TV verantwortlich. Für ein deutschsprachiges Projekt ist den USA war es ein wirklich großer Erfolg. Edward Berger habe ich im Juni 2015 bei einer Veranstaltung des Goethe Instituts in New York kennengelernt, auf der die Serie erstmals vorgestellt wurde. Seitdem sind wir in Kontakt geblieben, auch nachdem ich zu Fremantle gewechselt bin. Über den TV-Deal, den wir im Februar dieses Jahres verkünden konnten, haben wir tatsächlich im Lauf der Jahre immer wieder gesprochen. Nachdem er für sich alle Optionen für seine TV-Projekte geprüft hat, hat Fremantle letztendlich das Rennen gemacht. Er macht seine Filme mit Netflix und seine Fernsehproduktionen mit uns – und er ist zu dem Schluss gekommen, dass er mit diesen beiden Unternehmen die besten Erfahrungen gemacht hat, und dass sie vom Profil her die besten Partner für ihn sind. Edward ist genau die Art von Kreativem, mit dem wir arbeiten möchten. Unsere Produktionsfirma Wildside arbeitet gerade in Italien an seinem jüngsten Film, „Conclave“, nach dem Bestseller von Robert Harris. Hier sind wir als „Service Producer“ tätig, haben also nicht das Drehbuch mitentwickelt, aber erledigen viel von der tatsächlichen Arbeit als Produzent. Nach dem Ende der Dreharbeiten in Rom und der Oscar-Verleihung arbeiten Edward Berger und sein Team bei Nine Hours jetzt gemeinsam mit Fremantle an der Entwicklung seiner Fernsehprojekte. 

Fremantle ist vor allem mit erfolgreichen Shows wie „Idols“ und „Got Talent“ groß geworden. Wie wichtig ist der Bereich Global Drama heute für Fremantle?

Also, wenn sie mich fragen, natürlich sehr wichtig! (lacht). Nein, im Ernst, Fremantle hat in den vergangenen Jahren viel Kraft und Zeit in den Aufbau eines eigenen Drama-Geschäfts gesteckt. Die Firma hat einige wirklich smarte Investitionen in Produktionsfirmen getätigt und diese Produzenten dann auch tatkräftig unterstützt. Drama macht heute einen sehr viel größeren Anteil am Umsatz aus als vor sieben Jahren. Allein im vergangenen Jahr haben wir in diesem Bereich 17 Filme und 86 Serien produziert. Drama ist heute ein substanzieller Teil unseres Geschäfts und wächst weiterhin. Dahinter steckt die Strategie, das Geschäft von Fremantle zu diversifizieren. Das Drama-Geschäft ist in vielerlei Hinsicht anders als das Geschäft mit Unterhaltungsshows. Das Tempo ist unterschiedlich, die Margen sind unterschiedlich, und auch die Talente unterscheiden sich. Aber beides unter einem Dach zu vereinen, macht uns zu einem großen, interessanten Player auf dem Markt. Auf der einen Seite produzieren wir 100 Folgen von „Indian Idol“, und auf der anderen Seite gewinnen wir bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes den Jurypreis. Ich glaube, dass es kein anderes Unternehmen gibt, das die Kombination von Fernsehen, Film und Unterhaltung so gut hinbekommt wie Fremantle.

Fremantle beteiligt sich anders als früher auch finanziell deutlich stärker an Film- und Serienproduktionen. Ist damit nicht ein hohes, unternehmerisches Risiko verbunden?

 

Ich würde es als smartes Risiko bezeichnen. Wir investieren in kreative Talente und Unternehmen, die bereits Erfolge vorweisen können. Allerdings ist dabei Geduld nötig. Die Realisierung von Serien oder Filmen dauert im Schnitt zwischen 18 und 24 Monaten. Es ist ein langwieriger Prozess, und damit ist natürlich auch ein unternehmerisches Risiko verbunden. Man muss im Grunde vorhersagen können, welche Inhalte sich die Zuschauer und die Networks zu einem späteren Zeitpunkt wünschen. Unser Geschäft ist stark abhängig von der Zeit und vom Geschmack des Publikums – das macht es so besonders.

Einer der Fremantle-Produzenten, der Wildside-Chef Lorenzo Mieli, hat vor einigen Jahren im Interview vom „goldenen Zeitalter der TV-Produktion“ gesprochen, eingeläutet durch den Aufstieg der Streamingdienste. Hält dieses „goldene Zeitalter“ an? 

Ich glaube, dass dieses goldene Zeitalter immer noch anhält, es ist allerdings ein goldenes Zeitalter, das viel mehr Disziplin verlangt. Der Wettbewerb ist mittlerweile sehr viel härter geworden. Die Sender und die Streaming-Plattformen sind deutlich vorsichtiger geworden, sie wollen sicherstellen, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Als Produzent Qualität zu liefern, ist deshalb wichtiger als je zuvor. In all den Genres, die die Produktionsfirmen von Fremantle abdecken, von kommerzieller Fiktion bis hin zu Arthouse-Filmen, geht es immer darum, innerhalb des Genres das beste Ergebnis abzuliefern. Das ist es, was der Markt heute verlangt und was wir zum Glück liefern können.

Wenn Sie es sich aussuchen könnten: Mit welchen anderen Kreativen würden Sie gerne arbeiten, und welche Art von Projekt würden Sie in Zukunft gerne realisieren? 

Wir arbeiten mit wirklich vielen großartigen Kreativen. Aber ich würde gerne mehr mit dem Drehbuchautor Steven Knight machen, der mit unserer Produktionsfirma The Apartment für Apple an „Ferrari“ arbeitet und der Autor hinter Produktionen wie „Peaky Blinders“, „Spencer“ und jetzt „Maria“ ist. Er ist einfach in so vielen Genres zuhause und kann Geschichten aus den verschiedensten Perspektiven erzählen, das ist bemerkenswert. Ich würde auch gerne einmal mit einigen der großen Regisseure aus Asien wie Wong Kar-wai aus Hongkong arbeiten. Und ich würde gerne mal ein großes, glänzendes Melodrama im Reese-Witherspoon-Style machen, so etwas wie „Big Little Lies“. So etwas steht noch auf unserer Liste. Wir haben für neue Projekte einen Literaturagenten im Haus, der ständig auf der Suche nach passenden Buchvorlagen ist. Dabei kommt uns natürlich auch die Verbindung zur Konzernschwester Penguin Random House zugute; sie hilft uns zu verstehen, was gerade interessant ist, wer die großen Autoren sind. Und wir können uns mit dem unglaublich vielfältigen Katalog von Penguin Random House beschäftigen. Außerdem, und hier schließt sich der Kreis, machen uns die anderen Kreativbereiche von Bertelsmann, vor allem Penguin Random House und BMG, noch interessanter für kreative Talente. Das ist ein ziemlich beeindruckender, kreativer Fußabdruck, den Bertelsmann in der Welt vorweisen kann.