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News | Arvato Group | Gütersloh, 23.09.2016

Fernando Carro: „Ich mag Menschen – und Zahlen“

Fernando Carro
Fernando Carro

An seinem 52. Geburtstag und direkt vor seinem Sommerurlaub hat er sich Zeit genommen für ein Interview – und aus der geplanten Stunde wurden fast zwei: Dem Arvato-CEO Fernando Carro ist, das merkt man schnell, Kommunikation sehr wichtig. Seit seinem Amtsantritt im Juli 2015 war er viel unterwegs, hat Firmen in aller Welt besucht und mit Managern, Mitarbeitern und Mitarbeitervertretern, Kunden und Partnern gesprochen, um sie und ihre Belange zu verstehen und mit ihnen über die Zukunft von Arvato zu sprechen. Gleichzeitig steuerte er den Veränderungsprozess bei Arvato mit der Umsetzung der neuen Struktur mit den bestehenden Solution Groups und deren Strategie-Entwicklung sowie der Integration der Stäbe ins Corporate Center. Für das erste Jahr zieht Carro nun Bilanz – und zeigt sich sehr zufrieden.

Herr Carro, Sie sind nun gut ein Jahr im Amt. Wie haben Sie die zurückliegenden Monate erlebt? Werden die Zeiten jetzt wieder etwas weniger turbulent für Sie?

Fernando Carro: Das Jahr war natürlich sehr arbeitsintensiv, aber auch extrem interessant, spannend und reizvoll. Arvato ist sehr groß und sehr vielfältig: Nur wenige Unternehmen haben so viele unterschiedliche Geschäfte und sind in so vielen Ländern aktiv. Am Anfang stand bei mir – wie immer, wenn ich eine neue Aufgabe beginne – die Analyse der Strategie, der Mitarbeiter und der Organisation, der Zahlen, der Kunden, der Innovationen und der Investments. Um diese Themen auch bei Arvato zu verstehen, habe ich inzwischen mehr als 50 Standorte in zwölf Ländern besucht, um die einzelnen Firmen und ihr Geschäft, die Menschen vor Ort und unsere Kunden kennenzulernen. Ich habe an mehr als 50 Geschäftsleitungs- und Management-Sitzungen und an vielen Terminen mit Mitarbeitervertretern rund um den Globus teilgenommen und mich mit zahlreichen Kunden getroffen. Diese Begegnungen waren einerseits wichtig, um Arvato zu verstehen – und haben mir andererseits auch viel Spaß gemacht, denn ich bin neugierig und ich mag beides, Menschen und Zahlen. Ich weiß jetzt, wie Arvato funktioniert und fühle mich sehr wohl in diesem starken Unternehmensbereich, mit dem ich mich voll und ganz identifiziere. Ich werde auch weiterhin regelmäßig mit den Menschen in den Geschäften vor Ort im Austausch bleiben. Arvato ist mir in kurzer Zeit sehr ans Herz gewachsen. Die Zeiten werden intensiv bleiben, aber wir sind mit der Familie gerade von Barcelona nach Gütersloh umgezogen, und ich bin froh, dass ich meine Familie künftig hoffentlich wieder etwas öfter sehen kann. 

Was waren für Sie die wichtigsten Momente in dem vergangenen Jahr? Und welche inhaltlichen Meilensteine hat Arvato erreicht?

Fernando Carro: Wichtige Momente gibt es reichlich. Ich habe sehr schnell gesehen, dass es in vielen Gesprächen um das Wachstums- und Entwicklungspotenzial von Arvato geht, das wir jetzt gemeinsam heben können. Der Wunsch nach intensiverer Zusammenarbeit wurde oft geäußert, und die Kolleginnen und Kollegen wollen eine übergreifende und zukunftsfähige Strategie und sind stolz, zu Arvato und zu Bertelsmann zu gehören – sie fühlen sich als Teil eines großen Ganzen. Mir ist viel Wertschätzung entgegengebracht worden. Die Kolleginnen und Kollegen freuen sich, wenn der CEO zu ihnen kommt und ihre Themen verstehen möchte. Ich glaube, dass das Top-Management sich – wie beim Fußball – anspielbar machen muss für die Themen, die unsere Leute bewegen. Nun zu den Meilensteinen: Dies waren die großen Strategie-Entscheidungen und die Aufstellung des Top-Managements. Dieser Strategie-Prozess mündete im Arvato Management Meeting im Juni. Dort haben wir dem Top-Management die strategische Richtung der Solution Groups und von Arvato insgesamt erläutert und diskutiert, ein Fazit des bisher Erreichten gezogen und gleichzeitig einen Ausblick in die Zukunft gegeben. 

Apropos Fazit: Wie zufrieden sind Sie mit dem bislang Erreichten? Liegen Sie im Plan? 

Fernando Carro: Wir liegen voll im Plan: Wir haben für alle Solution Groups und Arvato-übergreifend eine klare strategische Grundlage, stabile Management-Teams, liegen mit den Zahlen über Vorjahr und über Plan und gewinnen mit unseren innovativen Lösungsansätzen neue Kunden. 

Wie sieht diese strategische Grundlage aus? 

Fernando Carro: Wir haben für Arvato einen strategischen Rahmen definiert: Die Basis bilden ein fokussiertes Portfolio – also dass wir darauf achten, welche Geschäfte zu uns gehören sollen – und eine Kultur, die auf Vertrauen und Zusammenarbeit setzt. Für das operative Geschäft stehen drei Schwerpunkte im Zentrum: Wir möchten skalierbare Dienstleistungen entwickeln, die schnell größer werden können und verlässlich mit den Kundenbedürfnissen wachsen. Zweitens werden wir künftig noch mehr innovative Lösungen entwickeln und drittens unsere Kundenbeziehungen weiter ausbauen. Unsere Ziele dabei sind klar: Kurzfristig müssen wir unsere Planung erreichen, mittelfristig die Profitabilität steigern und langfristig zusätzliches profitables Wachstum für Arvato schaffen. 

Kommen wir zum operativen Geschäft: Wie entwickeln sich die für Arvato wichtigen Märkte? In welchen Bereichen und in welchen Regionen sehen Sie Potenzial für die Zukunft? Wo wird Arvato investieren?

Fernando Carro: Was die Regionen angeht, bleibt Deutschland natürlich wichtig, hier erzielen wir den größten Teil unseres Umsatzes. Unser zweitgrößter Markt ist Frankreich. Verstärkt in den Fokus nehmen wollen wir die USA: Dieser Markt ist wegen einer ganzen Reihe von wichtigen Kunden von strategischer Bedeutung und birgt großes Potenzial für unsere Geschäfte. Sehr erfolgreich arbeiten zudem unsere Töchter in den Niederlanden – wo wir ja erst im Frühjahr ein großes neues Logistikzentrum eröffnet haben – und in Polen, von wo aus wir Dienstleistungen für den deutschen und übrigen europäischen Markt erbringen. Spannend ist auch Irland, weil dort viele US-Kunden ihren europäischen Sitz haben. Großbritannien und mein Heimatland Spanien bleiben für mich sehr interessant, auch wenn die Lage dort etwas schwieriger geworden ist, Gleiches gilt für die Türkei. In den Bertelsmann-Wachstumsregionen Brasilien, Indien und China sehen wir ebenfalls Chancen für Arvato. Inhaltlich werden wir weiter die Digitalisierung unserer Geschäfte vorantreiben und Lösungen in den Bereichen Big Data, Cloud-Services, Omnichannel und Robotik anbieten. Hier arbeiten wir intensiv an Innovationen und entwickeln proaktiv neue Lösungsmodelle. Weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit und damit auch ein Schwerpunkt für Investitionen ist das Thema E-Commerce-Services und die strategisch wichtige Branche Healthcare – sowie die Dienstleistungen von Arvato Financial Solutions, etwa in Skandinavien. Investitionen prüfen wir laufend. Aktuell haben wir den Markt für E-Commerce-Services in den USA im Blick und prüfen mögliche Investments im Bereich Datenanalyse in Indien. 

Als Arvato-CEO haben Sie mit den wichtigsten Kunden zu tun. Mit wem haben Sie sich schon getroffen? Und wie wollen Sie generell die Beziehungen zu Kunden stärken? 

Fernando Carro: Mir war es von Anfang an wichtig, mit unseren großen Kunden im Gespräch zu sein, und ich bin mit wichtigen Ansprechpartnern unserer Top- Kunden im Austausch. Mit Microsoft etwa kooperieren wir ja schon seit Langem. Ich habe die Firmenzentrale in Seattle besucht, und von dort sind auch Top-Manager nach Gütersloh gekommen – wir haben sehr offen über unsere Geschäftsbeziehungen gesprochen, was gut funktioniert und was wir verbessern müssen. Da ist viel Vertrauen entstanden, und letztlich gab es auch neue Aufträge, worüber ich mich sehr freue. Mit allen anderen großen Technologie-Unternehmen haben wir Partnerschaften in den verschiedenen Solution Groups. Diese Kunden sind ungeheuer stark und wachsen deutlich – und wir möchten mit ihnen wachsen. Aber natürlich kümmern wir uns um alle unsere Kunden, egal ob groß oder klein. Wichtig ist dabei eine zielgerichtete Ansprache: Wir wollen umsetzen, womit wir beauftragt werden, aber wir wollen zudem ein starker Partner sein, mit dem Kunden auf Augenhöhe über seine Bedürfnisse reden, neue Ideen entwickeln und so gemeinsam das Geschäft entwickeln. Das trägt am Ende auch zu höheren Margen bei und bringt beide Seiten voran. 

Sie haben betont, wie wichtig die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Arvato für den wirtschaftlichen Erfolg sind. Was erwarten Sie von den Kolleginnen und Kollegen?

Fernando Carro: Arvato hat mit über 70.000 Beschäftigten weltweit den größten Anteil an Mitarbeitern im Bertelsmann-Konzern. Damit tragen wir eine besondere Verantwortung für Ertrag, Wachstum und Sicherheit der Arbeitsplätze. Das Top-Management von Arvato ist sich dieser Verantwortung bewusst, und ich erwarte von jedem unserer Manager – und das sind alle Kollegen und Kolleginnen, die Mitarbeiter führen –, dass sie Partnerschaft und gegenseitiges Vertrauen vorleben. In Zeiten des digitalen Wandels spielt Vertrauen eine besondere Rolle, Vertrauen macht uns agiler als große Organisationen und gibt Mitarbeitern Freiraum, ihre Ideen einzubringen. Jeder, der mit mir zusammenarbeitet, weiß, wie wichtig mir das ist. Mit den jetzt für alle Solution Groups abgeschlossenen Strategieprozessen und dem Arvato Management Meeting im Juni dieses Jahres haben wir auch in dieser Hinsicht wichtige Eckpfeiler festgelegt und sind ein gutes Stück vorangekommen. Und Mitarbeiter gewinnen und halten können wir nur, wenn wir sie fördern. Auch das ist mir ein wichtiges Anliegen, und ich engagiere mich hier sehr. Ich bin häufig bei den Arvato-Management-Programmen dabei, schaue mir sehr genau die Karriereentwicklungen unserer Nachwuchsführungskräfte an, und bei all meinen Besuchen vor Ort rede ich mit den Kollegen über ihre Themen und was wir aus ihrer Sicht besser machen können. Mitarbeiter involvieren, das offene Gespräch suchen, unterschiedliche Meinungen zulassen und diskutieren: Das führt zu einer Kultur von Engagement und persönlichem Einsatz, und das brauchen wir.

Im November startet die fünfte weltweite Mitarbeiterbefragung bei Bertelsmann. Welche Bedeutung hat diese Befragung aus Ihrer Sicht für Arvato? Und warum sollten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter daran beteiligen? 

Fernando Carro: Die Mitarbeiterbefragung ist eine hervorragende Möglichkeit für uns alle, unsere Meinung zu sagen. Ich bin schon heute gespannt auf die Ergebnisse. Für mich ist dieses Instrument ein „Reality Check“: Nur wenn wir wissen, wo wir stehen, können wir auch definieren, wohin wir gehen wollen. Das war die Ursprungsidee der Mitarbeiterbefragung, die bei Bertelsmann vor vielen Jahren als einem der ersten Unternehmen in Deutschland eingeführt wurde. In dieser Tradition müssen wir weitermachen und möglichst viele Mitarbeiter bewegen, ihre Meinung zu sagen. Wir können immer Dinge besser machen und eigene Ideen einbringen. Und ich lege großen Wert darauf, dass wir mit den Ergebnissen arbeiten. Das nächste Jahr wird sicher geprägt sein davon. Ab März 2017 sind alle Fragebögen ausgewertet und wir werden uns an die Umsetzung machen. Auch hier werde ich mich persönlich engagieren, schließlich habe ich schon einige Mitarbeiterbefragungen erlebt und weiß, welch großes Verbesserungspotenzial im richtigen Umgang mit den Ergebnissen steckt. 

An welche beispielhaften Maßnahmen erinnern Sie sich, die auf eine Befragung zurückzuführen gewesen sind? 

Fernando Carro: Oft ging es um Maßnahmen, die konkret die Bedingungen am Arbeitsplatz betrafen, etwa eine neue Klimaanlage oder Themen wie Lärm- und Gesundheitsschutz. In Erinnerung geblieben sind mir aber auch Maßnahmen zur Verbesserung der Kommunikation untereinander, was ich generell für sehr wichtig halte: So haben wir etwa in einem meiner früheren Tätigkeitsbereiche ein regelmäßiges Frühstück der Geschäftsleitung mit Mitarbeitern eingeführt, einfach um den Informationsaustausch zu fördern. Mitarbeiterversammlungen, Routinen mit ganzen Abteilungen, persönliche Gespräche – es gibt viele Wege, Vertrauen zu stärken. Miteinander reden ist wichtig, lieber einmal mehr als zu wenig, davon bin ich überzeugt. Das gilt übrigens auch im Kontakt mit unseren Kunden: Häufig werden wir von ihnen dafür gelobt, dass wir in der Kunden-Kommunikation exzellent sind. Ich glaube, dass wir uns hier und da auch für unsere Kommunikation innerhalb von Arvato daran ein Beispiel nehmen können.