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News | Gruner + Jahr | Hamburg, 19.05.2014

Manege frei für die besten Journalisten

Gruner + Jahr und der „Stern“ haben zum zehnten Mal Bestleistungen im deutschsprachigen Print- und Onlinejournalismus mit dem Henri Nannen Preis geehrt. Die Auszeichnung ging in diesem Jahr in der Kategorie Reportage an Özlem Gezer („Der Spiegel“), in der Kategorie Dokumentation an Malte Henk („Geo“), in der Kategorie Investigation an Jacob Appelbaum, Nikolaus Blome, Hubert Gude, Ralf Neukirch, René Pfister, Laura Poitras, Marcel Rosenbach, Jörg Schindler, Gregor Peter Schmitz und Holger Stark („Der Spiegel“), in der Kategorie Foto-Reportage an Moises Saman („SZ-Magazin“) sowie in der Kategorie Essay an Wolfgang Uchatius („Die Zeit“). Zudem erhielt der Publizist und Politologe Alfred Grosser den Preis für das Lebenswerk. Den „Henri“ für Verdienste um die Pressefreiheit bekam die US-Journalistin Laura Poitras. Die Preisträger wurden am Freitagabend im Rahmen einer festlichen Verleihung in Hamburg geehrt.

Hereinspaziert, hereinspaziert! Ob virtuose Meister ihres Fachs, bestaunenswerte Magiere der Worte, schwindelfreie Wahrheitsfreaks und andere spektakuläre Attraktionen des Journalismus – in diesem Jahr bat der „Henri“ zum „Medienzirkus“. Rund 1.200 prominente Gäste aus Medien, Kultur, Politik und Wirtschaft hieß Zeremonienmeister Dominique Horwitz im „Raritätenkabinett des Qualitätsjournalismus“ auf Kampnagel willkommen. In der Manege des Henri Nannen Preises 2014: Pantomimen, Jongleure und Artisten. Vor allem aber: großartige journalistische Arbeiten.

 „Das war ein ganz besonderes Jahr für den Journalismus“, sagte Gastgeberin und G+J-Vorstandsvorsitzende Julia Jäkel in ihrer Eröffnungsrede – und ließ die großen Geschichten der vergangenen Monate noch einmal Revue passieren: Geschichten um Angela Merkels Handy, Edward Snowdens Enthüllungen, Cornelius Gurlitts Bilder oder Uli Hoeneß' Steuerhinterziehung. Geschichten, die ohne die Arbeit von Journalisten vielleicht nie ans Tageslicht gekommen wären. „Guter Journalismus ist grundsätzlich für das Funktionieren unserer Gesellschaft. Ohne guten Journalismus ist Demokratie nicht denkbar“, betonte Jäkel, „Darum Manege frei für die besten Journalistinnen und Journalisten, um die wir heute ordentlich Zirkus machen wollen.“

Einer der Hauptakteure des aktuellen Mediengeschehens meldete sich denn auch bei der Verleihung zu Wort: Per Videoschalte aus Moskau lobte der ehemalige US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden den Mut von Preisträgerin Laura Poitras. Die Dokumentarfilmregisseurin und -produzentin war als Erste seiner Geschichte nachgegangen und maßgeblich an der Erstveröffentlichung der NSA-Unterlagen beteiligt. „Dass sie die Enthüllungen ins Weltlicht gerückt hat, war unglaublich, aber auch sehr riskant und gefährlich für sie“, dankte Snowden Laura Poitras für ihre Arbeit: Diese sei ein wichtiger Schritt zu einer Gesellschaft jenseits des Terrors. Für diesen Einsatz um die Pressefreiheit erhielt die US-Journalistin am Freitag den Henri Nannen Preis 2014 – und kündigte auf der Verleihung an, dass in den Dokumenten noch viel Material für weitere Geschichten stecke.

Der Überwachung durch die NSA hatte sich ebenfalls ein Team vom „Spiegel“ gewidmet: Für ihre Beiträge „Kanzler-Handy im US-Visier?“/“Der unheimliche Freund“ konnten Jacob Appelbaum, Nikolaus Blome, Hubert Gude, Ralf Neukirch, René Pfister, Laura Poitras, Marcel Rosenbach, Jörg Schindler, Gregor Peter Schmitz und Holger Stark die Trophäe für die beste investigative Leistung in Empfang nehmen. Erst ihre Recherchen, so die Jury, hätten ein paar Zahlencodes in einem NSA-Dokument in eine politische Bombe verwandelt. Keine andere Enthüllung der jüngsten Zeit habe das deutsch-amerikanische Verhältnis derart erschüttert – „eine investigative Leistung von weltpolitischer Dimension“.

Auch beim Egon-Erwin-Kisch-Preis, der Auszeichnung für die beste Reportage, stand eine der Hauptfiguren der jüngsten Medienberichterstattung im Fokus: 1.280 Bilder, darunter Werke von Picasso, Chagall, Matisse, Beckmann und Nolde, waren bei dem Münchner Kunstsammler Cornelius Gurlitt entdeckt worden – Hunderte davon im Verdacht, Nazi-Raubkunst zu sein. Özlem Gezer vom „Spiegel“ war die einzige Journalistin, der der kürzlich gestorbene und zurückgezogen lebende Gurlitt nach Bekanntwerden des Kunstfundes einen Einblick in sein Leben gewährte. Mit ihrem Psychogramm „Gurlitt – Die Liebe seines Lebens“ sei Gezer ein Meisterstück gelungen, einfühlsam beobachtet, präzise und wertfrei formuliert, begründete die Jury ihre Entscheidung.

Einblicke ganz anderer Art gewährt Malte Henk in seinem GEO-Artikel „Nennt uns bloß nicht Helden“. Sein Portrait des Internationalen Roten Kreuzes zeigt eine hoch angesehene Institution zwischen Heldenmut und Selbstzweifeln. Der Beitrag lebt vor allem davon, dass der Autor der Organisation so nah gekommen ist wie kaum ein Journalist zuvor. Für diese Leistung sprach ihm die Jury den Henri Nannen Preis in der Kategorie Dokumentation zu.

Die Auszeichnung als beste Foto-Reportage ging an Moises Saman. Seiner im Magazin der „Süddeutschen Zeitung“ veröffentlichten Arbeit „Im Reich des Todes“ über Folterlager im Sinai gelingt es, mit intensiven Nahaufnahmen den Menschen auch dann ihre Würde zu lassen, wenn es um Erniedrigung, Verzweiflung und Folter geht. Die Jury sagte: „Dem Mut des Fotoreporters haben wir es zu verdanken, Bilder aus einer Welt zu sehen, die uns bisher verborgen geblieben ist. Solche Bilder zu veröffentlichen, muss den Medien eine Notwendigkeit sein – sie auszuzeichnen, ist uns eine Ehre.“

Für seine bestechende Argumentation ehrte die Jury Wolfgang Uchatius von der „Zeit“ in der Kategorie Essay. In „Soll ich wählen oder shoppen?“ erklärt er, heutzutage habe nicht der Wähler, sondern der Konsument mehr politische Macht. Am Ende dieses Essays, so die Jury, würden auch Skeptiker verblüfft feststellen, dass sie die kühne These des Autors durchaus plausibel fänden.

Den Abschluss der Verleihung bildete traditionell die Vergabe des Henri Nannen Preises für das Lebenswerk. Diesen überreichte Julia Jäkel an den französischen Politologen und Publizisten Alfred Grosser, der sich seit Jahren in großem Umfang für die deutsch-französische Verständigung engagiert. In ihrer Laudation würdigte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen Grosser für seine „unbedingte Wahrheitsliebe“. Er habe – quasi als Dolmetscher zweier Nationen, die sich fremd waren – die deutsch-französische Normalität befördert: „Dass Deutschland und Frankreich heute als Freunde so eng zusammenstehen, daran haben viele Menschen mitgewirkt. In den Medien hatte sicherlich niemand so großen Anteil daran wie Alfred Grosser“, unterstrich die Bundesministerin. Der so Geehrte betonte in seiner Rede dann auch die Gemeinsamkeiten zwischen den Nationen und appellierte an die Medien: „Die deutschen und französischen Zeitungen sollten endlich anfangen über Europa zu sprechen, statt darüber zu nörgeln.“ Ein Schlusswort, für das ihm das Publikum – unter anderen Liz Mohn, Thomas Rabe, Claudia Roth, Olaf Scholz, Steffen Seibert, Tom Buhrow, Linda Zervakis, Judith Rakers, Nazan Eckes, Thomas Hayo, Hannelore Elsner, Dieter Wedel, Hellmuth Karasek und Elke Heidenreich – Standing Ovations zollte.

Weitere Gäste des Henri Nannen Preises 2014, Bilder von der Verleihung sowie Impressionen der After-Show-Party finden sich in einer Bildergalerie unter www.henri-nannen-preis.de.