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News | Gütersloh, 11.07.2016

100 Tage bei Bertelsmann: Ein Interview mit CFO Bernd Hirsch

CFO Bernd Hirsch

Anfang April hatte Bernd Hirsch seinen ersten Arbeitstag als Bertelsmann-CFO. Inzwischen sind es einhundert, nach deren Ablauf der neue Finanzvorstand erklärt: „Bei Bertelsmann herrscht eine erfreulich offene Kultur gepaart mit einem großen Interesse an neuen Menschen wie mir.“ Das habe ihm den Start erleichtert, auf den er sich zum einen sehr gefreut, zum anderen intensiv vorbereitet hat. Heute sei er angekommen, vor allem aber fühle er sich willkommen, sagt Hirsch.

Herr Hirsch, fühlen Sie sich – nach 100 Tagen im Amt – schon bei Bertelsmann angekommen und vor allem angenommen?

Bernd Hirsch: Beides – und das eigentlich vom ersten Tag an. Ich habe mich hier im Corporate Center, aber auch bei den Finanzkollegen in den Unternehmensbereichen von Anfang an willkommen gefühlt. Bei Bertelsmann herrscht eine erfreulich offene Kultur, gepaart mit einem großen Interesse nicht nur am Neuen, sondern auch an neuen Menschen wie mir. So habe ich zwischenmenschlich extrem positive Erfahrungen machen dürfen, und zwar auf allen Ebenen: Ich habe sehr gute Gespräche mit den Gesellschaftern geführt, so dass hier das notwendige Vertrauensverhältnis entstehen kann. Mit Thomas Rabe tausche ich mich eng aus – wir haben sehr ähnliche Vorstellungen. Und auch im Vorstand insgesamt pflegen wir einen konstruktiven Umgang in dem Bewusstsein, gemeinsam für die Steuerung des Unternehmens verantwortlich zu sein und es in dieselbe Richtung lenken zu wollen. In meinem Team habe ich erstklassige, leidenschaftliche Finanzprofis angetroffen, mit denen zu arbeiten einfach Spaß macht. Und dasselbe gilt für die Finanz-Community von Bertelsmann. Kurz gesagt, heute glaube ich manchmal, schon viel länger hier zu sein als nur die paar Monate, auch wenn mir natürlich klar ist, dass ich als Neuer meinen Platz im Unternehmen noch finden muss.

Gab es keine Überraschungen?

Bernd Hirsch: Weder wurde ich überrascht – noch habe ich überrascht. Das war mir jeweils wichtig. Und aus diesem Grunde, oder einfach berufsbedingt, habe ich mich sehr intensiv auf Bertelsmann und meine neue Aufgabe vorbereitet. Ich wusste somit schon vorab auch um die Breite des Portfolios unseres Unternehmens, aber wenn man dann erst einmal drinnen ist und noch tiefer in die Geschäfte Einblick nehmen kann, ist die Vielfalt von Bertelsmann schon beeindruckend für mich gewesen, jedoch nicht überraschend.

 Warum hatten Sie sich für Bertelsmann entschieden?

Bernd Hirsch: Weil ich ein herausforderndes Umfeld gesucht habe. Bei Bertelsmann habe ich es gefunden. Ich habe ja schon auf dem Management Meeting gesagt, dass Bertelsmann kein Platz für Menschen ist, die sich ausruhen wollen. Die alles erfassende Digitalisierung, die sich beschleunigende Globalisierung und die zunehmende Volatilität auf den Finanzmärkten – das alles sind Herausforderungen, die Antworten, die aber auch enorme Dynamik und Flexibilität bei unseren Entscheidungen verlangen. Das Schöne ist, dass Bertelsmann genau diese Dynamik hat und bereit ist, neue Wege zu gehen. Außerdem freue ich mich inhaltlich darauf, die Medienwelt jetzt von innen kennenzulernen. Es ist schon spannend zu sehen, wie Medien entstehen, wie sie sich entwickeln und wie sie wirken. Die Services-Geschäfte von Arvato sind jedoch nicht weniger interessant. Bertelsmann hat auch da enorme Kompetenzen aufgebaut.

Stichwort CFO – wie definieren Sie dieses Amt eigentlich? Und sehen Sie Unterschiede zwischen den CFO-Positionen, die Sie bisher innehatten und der bei Bertelsmann?

Bernd Hirsch: Die landläufige Meinung ist ja, dass es in einem Finanzressort – unabhängig von Branche und Unternehmen – immer um dieselben Aufgaben geht. Mein Anspruch als CFO war aber nie, mich nur um „die Zahlen“ zu kümmern. Das ist meiner Meinung nach ein antiquiertes CFO-Bild, das so nicht mehr gilt. Heute muss ein Finanzvorstand ein tiefes Verständnis, wenn nicht sogar eine Leidenschaft, für die Geschäfte, die Produkte und die Prozesse entwickeln. Er muss ganz genau verstehen, was die Geschäfte machen, weil er in alle wesentlichen Entscheidungsprozesse über diese Geschäfte eingebunden ist, ja, sogar die Grundlage für diese Entscheidungen liefert, beispielsweise für solche über Investitionen.

Bisher waren Sie ausschließlich in börsennotierten Unternehmen als Finanzchef tätig – resultieren daraus vielleicht Unterschiede?

Bernd Hirsch: Ja und nein. Generell gibt es zwei wesentliche Unterschiede zwischen börsennotierten und privat geführten Unternehmen. Der eine ist die langfristige Perspektive, die Privatunternehmen gerade bei riskanten Themen einnehmen können. Sie brauchen nicht in Quartalen zu denken, können ganz konkret beispielsweise Anlaufverluste hinnehmen. Das ist für einen Transformationsprozess, wie Bertelsmann ihn gerade erlebt, von enormem Vorteil. Der andere Unterschied liegt darin, dass durch die erhöhte Öffentlichkeit und Kontrolle in börsennotierten Unternehmen eine natürliche Disziplin herrscht. Doch beide Unterschiede sind, wie gesagt, eher prinzipieller Natur. Denn so wie ich Bertelsmann bislang erlebe, wird hier das langfristige Denken eines Privatunternehmens verbunden mit der Disziplin eines Börsenunternehmens. Und natürlich müssen auch wir kapitalmarktfähig sein, uns an internationalen Standards in der Bilanzierung und der Corporate Governance orientieren. Das machen wir im Übrigen recht überzeugend.

Stellt die dezentrale Struktur von Bertelsmann Sie vor neue Herausforderungen?

Bernd Hirsch: Nein. Ich habe immer gern in dezentralen Unternehmen gearbeitet. Ich mag ein solches Umfeld eher als zentral geführte Organisationen, weil ich Menschen lieber überzeugen als ihnen etwas anordnen will. Überzeugung führt nämlich am Ende immer zu nachhaltigeren Ergebnissen. Wichtig ist dabei, dass man eine klare Linie und ein eindeutiges Ziel verfolgt und das ebenso klar und eindeutig kommuniziert. Darum sehe ich gerade auch die Kommunikation im Finanzbereich eines Unternehmens als eine wichtige Aufgabe an. 

Bei Ihrem Auftritt auf dem Management Meeting in Gütersloh lobten Sie die aktuelle finanzielle Situation von Bertelsmann. Ist die Lage wirklich so rosig oder gibt es bei näherem Hinsehen doch auch Knackpunkte?

Bernd Hirsch: Dass Bertelsmann finanziell so überaus solide dasteht, bringt das Unternehmen selbstverständlich in eine gute Ausgangsposition für die Umsetzung unserer Strategie. Dennoch müssen wir uns immer darüber im Klaren sein, dass eine wesentliche Limitierung, die Bertelsmann bei der weiteren Transformation seiner Geschäfte hat, finanzieller Natur ist. Bertelsmann ist nicht börsennotiert, und so bleibt die Eigenfinanzierung das beherrschende Thema.

Und darum gilt, wie Sie ebenfalls auf dem Management Meeting sagten, „Cash is King“?

Bernd Hirsch: Ja, genau. Es ist einer von zwei zentralen Faktoren: Bertelsmann braucht einen konstant hohen Cashflow, um die Verschuldung weiter zu reduzieren und mehr Freiraum für Investitionen zu bekommen. Zudem braucht der Konzern profitables Wachstum, also mehr Umsatz, aber eben auch mehr Gewinn.

Wie entspannt sich ein Mann der Zahlen eigentlich?

Bernd Hirsch: Bei meiner Frau und meinen drei Kindern zuhause in Süddeutschland oder beim Sport.

Wobei Ihre Hobbies Tauchen und Kickboxen nicht gerade nach Entspannung klingen.

Bernd Hirsch: Doch, sie ergänzen sich perfekt. Beim Kickboxen geht es um Verausgabung, beim Tauchen um totale Entspannung. Allein die Tatsache, dass unter Wasser Stille herrscht, lässt mich total herunterkommen.

Und das schönste Tauchrevier der Welt …

Bernd Hirsch: … liegt vor der Küste Mexikos, auf der Höhe von Cancún.